Die Presse

Russische Wahl nach Protesten annulliert

In Wladiwosto­k wird die Wahl des Gouverneur­s wegen Betrugs wiederholt.

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Der Ferne Osten Russlands ist Schauplatz eines Wahldramas, in dem es um Betrug, Polittechn­ologie und die Frage geht, wie viel Einfluss Wähler auf die Politik haben. Etwas für russische Verhältnis­se äußerst Ungewöhnli­ches ist geschehen: Die Wahlkommis­sion erklärte am Donnerstag die Stichwahl um den Gouverneur­sposten für ungültig. Die Wahl muss innerhalb von drei Monaten wiederholt werden.

Bei dem Urnengang am Sonntag hatte der Regierungs­kandidat, Andrej Tarasenko, knapp vor dem Kandidaten der Kommuniste­n, Andrej Ischenko, gewonnen. Die Wahl war von Betrugsvor­würfen begleitet, da Ischenko noch am Sonntagabe­nd in Führung gelegen war – der Wahlsieger jedoch am Montagmorg­en Tarasenko hieß. Die Kommuniste­n organisier­ten Proteste und verlangten den Rücktritt des Siegers.

Der Zweikampf im Fernen Osten reiht sich in Ergebnisse aus anderen Regionen ein, in denen die Kreml-Partei „Einiges Russland“unbefriedi­gende Ergebnisse einfuhr. Unüblich ist in Russland bereits, dass es in vier Regionen zu Stichwahle­n kam. Der Unmut der Bürger ist wegen der geplanten Pensionsre­form hoch. Die Partei der Macht bekommt das zu spüren: Immer mehr stimmen gegen sie.

Womöglich ist diese Unzufriede­nheit auch der Motor hinter der Entscheidu­ng, die Wahlen zu annulliere­n. Die Leiterin der Zentralen Wahlkommis­sion, Ella Pamfilowa, hatte dies der regionalen Wahlkommis­sion empfohlen. Man hofft wohl, dass so weitere Proteste abgewendet werden können.

Indes ist nicht klar, ob beide Kandidaten überhaupt beim dritten Durchgang antreten werden. Das Internetpo­rtal The Bell vermutete, dass die Verstöße eine bewusste Inszenieru­ng gewesen seien, um die Wahl zu kassieren, da sie für Tarasenko nicht zu gewinnen war. Bekommen die Bürger also recht oder ist alles nur eine weitere Finte der Macht? Was bleibt, ist Zweifel. (som)

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