Genossin Kompromiss
Deutschland. SPD-Parteichefin Andrea Nahles steht massiv unter Druck: Riskiert sie den Bruch mit ihrer Basis – oder mit dem Regierungspartner?
Wahlkampfauftritte in Bayern gehören für die SPD in Bayern ohnehin nicht den Wohlfühlterminen – immerhin dümpelt die Partei in Umfragen derzeit bei elf Prozent dahin. Doch dieser Donnerstagvormittag in München war für Andrea Nahles besonders heikel: Die Bundesparteivorsitzende sollte ihre Stellvertreterin und Spitzenkandidatin, Natascha Kohnen, eigentlich unterstützen. Am Ende musste sich Nahles allerdings gegen ihre Genossen verteidigen, und die Frage beantworten: Ist es das alles wert? Der Preis, den die Sozialdemokratie in Berlin für eine Regierungsbeteiligung bezahlt, ist zu hoch, findet Kohnen.
Wie bei dem Wechsel von Hans-Georg Maaßen vom Verfassungsschutzchef zum Staatssekretär: Nahles hatte lautstark angekündigt, dass der 55-Jährige nach seinen umstrittenen Aussagen über Hetzjagden in Chemnitz gehen muss. Nach einer Krisensitzung im Bundeskanzleramt wurde bekannt: Maaßen geht – aber nur ins Innenministerium, wo auch noch ein ranghoher roter Beamter, Gunther Adler, Platz machen muss. Nahles stimmte dem Kompromiss zu. Und löste damit Fassungslosigkeit und Frust in ihrer Partei aus.
Unter den Sozialdemokraten wächst damit der Protest gegen die Große Koalition, nicht nur in Bayern. Dabei geht es längst nicht mehr nur um einen Flügelkampf zwischen den GroKo-Gegnern und ihren Befürwortern. Viele Parteimitglieder fühlen sich von der Union hintergangen. Das ist schlimm genug. Doch nun kommt auch noch die Befürchtung dazu, dass sich Nahles von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu viel gefallen lässt. Aus Angst, ohne Kompromiss könnte die Regierung zerbrechen.
Doch gerade das, ein Ende der Koalition, könnte nun erst recht drohen: wenn die SPD ihren Druck auf Nahles weiterhin erhöht. Am kommenden Montag soll der 45-köpfige Parteivorstand in Berlin über die weitere Vorgangsweise der Sozialdemokratie entscheiden. „Ich will nicht verhehlen, dass es da auch neue Debatten gibt“, sagte Nahles in München. Die gesamte Regierung sei „in einem wirklich schwierigen Fahrwasser – so kann es nicht weitergehen“.
Zumindest darin sind sich alle Sozialdemokraten einig. Nur: Wie soll es dann weitergehen? Nahles will wegen einer „ärgerlichen Personalfrage“nicht die Koalition platzen lassen. SPD-Vize Ralf Stegner will allerdings von der CSU nicht „ständig provoziert werden“. Der Geduldsfaden, der die Koalition zusammenhalte, sei „ganz dünn geworden“. Auch Bundestagsabgeordnete fordern nun – manche offiziell, manche hinter vorgehaltener Hand – einen Ausstieg aus der Koalition. Der Chef der Jungsozialisten, Kevin Kühnert, tut es ohnehin seit Monaten.
Kohnen fordert Nahles auf, im Kabinett nicht der Beförderung Maaßens zuzustimmen. Verhindern könnten die Sozialdemokraten im Kabinett den Wechsel damit aber nicht, sagt Staatsrechtler Joachim Wieland im „Handelsblatt“. Dafür hält die SPD zu wenig Sitze. Es wäre also kein Veto, sondern lediglich ein Signal.
In der CDU will man eine solche Debatte übrigens vermeiden. Generalsekretärin Annegret KramKarrenbauer ermahnte die 425.000 Parteimitglieder via Mail: „Die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Regierung stand konkret im Raum. Dies erschien nicht vertretbar.“