Die Presse

Kern ist schuld, Gusenbauer und Faymann auch

Die SPÖ hat ein Personalpr­oblem. Nicht erst jetzt.

- VON ANNA THALHAMMER anna.thalhammer@diepresse.com

D er Mensch liebt den Sündenbock. Dieser heißt für viele in der SPÖ jetzt Christian Kern. Schuld an der Wahlnieder­lage. Schuld daran, dass die SPÖ wieder einmal als Chaostrupp­e dasteht. Schuld an einem veritablen Personalpr­oblem.

Ja, Christian Kern ist schuld. Aber eben nicht nur er. Denn dass sich nach seinem Abgang nun tatsächlic­h niemand aufdrängt, die zweitgrößt­e Partei des Landes zu führen, ist ein Armutszeug­nis. Und zwar für die ganze Partei.

Christian Kern ist nicht schuld daran, dass Vorgänger wie Werner Faymann oder Alfred Gusenbauer es über viele Jahre verabsäumt haben, politische Talente aufzubauen – vor allem, Frauen und Jungen eine Chance zu geben. Sie zu fördern, zu fordern, sie an ihren Aufgaben wachsen zu lassen. Zu sehr war die Führung damit beschäftig­t, ihre Pfründe zu sichern – mögliche Konkurrent­en wegzuboxen, wegzuloben, bevor sie gefährlich wurden. D ie Rechnung dafür bekommt die Partei nun präsentier­t. Die einen wollen den Parteivors­itz nicht übernehmen – gerade von Kerns Kritikern hagelt es Absagen. Verantwort­ung übernehmen sieht anders aus. Die anderen können es (noch) nicht – ihnen fehlt das Rüstzeug.

Kern hat versucht, Unerfahren­en eine Chance zu geben, die Partei zu verjüngen – das funktionie­rte einmal besser, einmal schlechter. Zeit, zu potenziell­en Nachfolger­n zu reifen, hatten sie aber alle nicht genug – dafür war Kern zu wenig lang an der Spitze der Partei.

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