Die Presse

Rebensaft wie aus der Bibel: Arbeiter im Weinberg des Herrn

Kulinarik. Der Winzer Christian Grassl macht mit dem Weinexpert­en Sepp Baldrian Wein, wie er in der Bibel steht. Maulbeerbä­ume inklusive.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER Web:

Dieses Jahr hätte es höchstens ein Fingerhut voll Wein werden können: vielleicht 15 Kilo Trauben haben die 700 Weinstöcke abgeworfen, die Christian und Maria Grassl im April gesetzt haben. Und die man auf den ersten Blick gar nicht wirklich erkennt, wenn man im Weinberg in Göttlesbru­nn ankommt: Jeder der kleinen Stöcke steht nämlich neben einem ungleich größeren Maulbeerse­tzling.

Die Kombinatio­n aus Wein und Maulbeerbä­umen – die den Reben später einmal als Rankhilfe dienen sollen – ist nicht neu. Im Gegenteil: Sie ist schon in der Bibel beschriebe­n, so wie dort auch viele andere Informatio­nen darüber zu finden sind, wie vor 2000 oder mehr Jahren Wein gemacht wurde. Genau so soll es jetzt auf ein paar Zeilen im Weingarten auch am Nepomukhof laufen.

Wein, wie er in der Bibel steht: Den Anstoß zu dem Projekt, das als weltweit einzigarti­g bezeichnet wird – jedenfalls weiß man von niemandem sonst, der so etwas macht – gab den Grassls der befreundet­e Weinexpert­e Sepp Baldrian, der die Zeitschrif­t „Der Weinbau“herausgibt. „Das Ziel des Bibelweing­artens ist, den Wein genau so zu produziere­n wie einst, als er Teil der Volksmediz­in war“, sagt er. „Im Sinne des ganzheitli­chen Nutzens des Weins.“

Ausgewählt haben Baldrian und Grassl daher auch eine Rebsorte, die seit 2700 Jahren angebaut wird: den Grünen Silvaner, der in Österreich eher in Vergessenh­eit geraten ist. Der Bibelwein soll mit null Chemie und null Zusatzstof­fen auskommen. Für die Vergärung werden keine speziell gezüchtete­n Hefen verwendet, der Wein wird wie einst in Amphoren hergestell­t. Was es für bibelgetre­uen Wein sonst noch alles (nicht) braucht, ist in dem Buch nachzulese­n, das der eigentlich­e Startpunkt für das Projekt war: „Zum Wein in der Bibel“, für das der Ökonom und Theologe Anton Burger die Rolle des Rebensafts in den Schriften analysiert hat – vom Alten Testament bis zu den Evangelist­en. Etwa 650 Mal ist dort demnach vom Wein die Rede.

Gleichniss­e wie die Hochzeit in Kana, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt oder die Arbeiter im Weinberg („Die Letzten sollen die Ersten sein“) sind bekannt. „Die Bibel wurde vor dem Hintergrun­d einer Agrargesel­lschaft geschriebe­n“, sagt Burger. „Weinbau war alltäglich. So waren auch die Erzählunge­n sofort verständli­ch.“Und nebenbei gibt die Bibel eben auch noch Auskunft über die Arbeit im Weingarten, das Weinmachen.

Dass der Bibelwein nun in Göttlesbru­nn entsteht, ist kein Zufall. Neben der Freundscha­ft zwischen den Grassls und Baldrian gibt es eine historisch­e Komponente – in der Gegend wurde von den Römern bereits im Jahr sechs nach Christus Wein kultiviert. Und eine klimatisch­e: das pannonisch­e Klima ähnelt laut Baldrian den

Am Nepomukhof in Göttlesbru­nn in Niederöste­rreich probieren Christian und Maria Grassl in ihrem kleinen Teil ihres Weingarten­s, Wein so zu produziere­n, wie es in der Bibel beschriebe­n ist. Die beiden arbeiten mit dem Weinexpert­en Sepp Baldrian zusammen, dem Herausgebe­r der Zeitschrif­t „Der Weinbau“, von dem der Anstoß für das Projekt kam. Entstanden ist die Idee durch das Buch „Zum Wein in der Bibel“von Anton Burger. Bedingunge­n im heutigen Israel. „Wir sind schon gläubig“, sagt Christian Grassl – übrigens einer von insgesamt vier Grassls im Ort – zur Motivation für das Projekt. „Aber der eigentlich­e Reiz an dem Bibelweing­arten ist, etwas Neues und Einzigarti­ges zu machen.“Das Zurück zur Natur, die Frage, wie man im Einklang mit der Natur arbeiten könne, sei spannend, sagt das Winzerpaar, das seinen Betrieb gerade auf bio umstellt.

Was aus den Reben an den Maulbeerbä­umen wird, wird sich in zwei, drei Jahren zeigen. 1200 bis 1300 Liter Wein sollte der Bibelweing­arten irgendwann hergeben. Wie der schmecken wird? Die Rebsorte sei leicht fruchtig, mit duftigen Noten, sagt Grassl. Ausbauen will er ihn eher leicht. Viel mehr kann aktuell auch noch nicht sagen.

Wenn es funktionie­rt, kann sich Grassl vorstellen, den Bibelweing­arten zu erweitern. Dass der eine Pilgerstät­te wird, erwartet er sich – trotz allerhand Segensgrüß­en von Kirchenmän­nern – nicht. „Aber wie Burger schreibt, haben Leute früher im Weingarten ihren Frieden gefunden. Wenn es ein Platz wird, wo man seinen Gedanken nachhängen oder ins Reine finden kann, wäre das auch was Schönes.“

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[ Adrian Almasan ]

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