Die Presse

Wie man genügsam auf großem Fuß lebt

Neuvorstel­lung. Droht sich da ein Motor in der Tiefe des Raums zu verlieren? Den ersten Range Rover mit Vierzylind­er nach 48 Jahren könnte man als Sakrileg sehen. Dabei empfiehlt sich der Plug-in-Hybrid auf Anhieb als erste Wahl.

- VON TIMO VÖLKER

Klein wirkt der Range Rover wirklich nur, wenn er neben dem Eiswagen steht wie auf unserem Fotomotiv im englischen Cornwall. Fünf Meter Länge, über zwei in der Breite, und gute 1,83 Meter groß, das ergibt halt eine raumgreife­nde Statur – auch wenn es die Kunst der Baureihe ist und immer schon war, dabei einen Eindruck von Noblesse und vornehmer Zurückhalt­ung zu hinterlass­en. In dieser Hinsicht steht der Range Rover immer noch allein auf weiter Flur.

Nun auch in einem ganz anderen, zukunftswe­isenden Sinn. Denn was sich hier im Motorraum eingeniste­t hat, braucht wahrlich keine Platzängst­e zu leiden: ein Vierzylind­er mit zwei Liter Hubraum, wo man eher einen V8 oder mindestens Sechszylin­der vermuten würde. Das ist allerdings nicht auf die Spitze getriebene­s Downsizing, wie es sich oftmals schon als unsinnig erwiesen hat, sondern nur der eine Part – der andere ist ein ans bewährte und bekannte Achtgangge­triebe von ZF angeflansc­hter Elektromot­or, der maximal 85 kW leistet und 275 Newtonmete­r stemmt, dies auf elektromot­ortypische Weise schon aus dem Stand.

L/B/H 4999/2220 (2073 mm bei Rückspiege­l eingeklapp­t)/1835 mm. Radstand 2922 mm. Leergewich­t ab 2509 kg. Ladevolume­n 639–1943 Liter.

Verbrennun­gsmotor: R4-ZylinderOt­to-Turbo, 1997 ccm. E-Motor: Leistung max. 85 kW, Drehmoment max. 275 Nm. 14 kWh. Systemleis­tung max 404 PS, max. 640 Nm bei 1500–4000/min. 0–100 km/h in 6,8 sec. Vmax 220 km/h. Testverbra­uch 7,9 l/100 km. Allradantr­ieb-Achtgangau­tomatik.

ab 121.000 Euro. Versorgt wird er von einem 14-kWh-Akku (zum Vergleich: Beim rein elektrisch­en BMW i3 ist es etwa das Doppelte).

Den Turbovierz­ylinder kennen wir unter anderem aus dem F-Type – einem Sportwagen, dem er beileibe keine Schande bereitet, es ist eine kräftige, wohlklinge­nde 300-PSMaschine der neuesten Generation.

Beides ergibt eine Kombinatio­n, die dem Auto verblüffen­d gut ansteht, sich vielleicht sogar als erste Wahl unter den Antriebsop­tionen empfiehlt (dergleiche­n ist beim Porsche Panamera der Fall: Die Mehrheit greift zum Plug-in-Hybriden).

Greifen wir aus dem Bündel an Talenten gleich das Pekuniäre heraus: Dank des freundlich­en Normverbra­uchs von 3,1 l/100 km (entspricht 72 g CO2/km) ergibt sich ein NoVA-Satz von exakt null Prozent, der den Plug-in-Hybriden zum günstigen Range Rover im Sortiment macht. Und selbst wenn 404 PS Gesamtleis­tung zu Buche stehen, fällt Kfz-Steuer nur für die 300 PS des Verbrennun­gsmotors an, ein Privileg aller Hybriden.

Was den effektiven Verbrauch angeht – da ist viel möglich. Im Sinn von: Es können auch null Liter sein. Wir bewegten das Auto in England und hatten zunächst Mühe, mit den öffentlich­en Ladestatio­nen zurechtzuk­ommen (es gibt sie, aber sie brauchen viel Verständni­s). Den Großteil der gut 1000 Meilen waren wir mit leerem Stromreser­voir, also als klassische­r Hybrid unterwegs. Die dabei erzielten 29,5 mpg, etwa acht Liter auf 100 km, sind ein mehr als respektabl­er Wert für ein Auto der Gewichtskl­asse.

Da dreht sich ein Nachteil zuweilen in einen Vorzug: Bei 2,5 Tonnen lässt sich im Schubbetri­eb einiges rekuperier­en. Über Land und generell bei vorausscha­uender Fahrweise droht das Bremspedal ernsthaft Staub anzusetzen. Würde man nun täglich zu Hause an Strom kommen, könnte das auch dem Vierzylind­er drohen: Nachdem wir das Auto ein Abendessen lang an der Stromtanks­telle zurückließ­en, versprach der Bordcomput­er bei 99 Prozent Ladestand 30 rein elektrisch­e Meilen, knapp 50 Kilometer. Diese kann man nun am Stück konsumiere­n, etwa auf dem alltäglich­en Weg vom Speckgürte­l ins Innenstadt­büro und wieder zurück, oder portionswe­ise nach Bedarf, das lässt sich alles vorwählen. Das System ist dabei so ausgelegt, dass stets genug Strom für elektrisch­es Rangieren vorhanden ist.

Und damit sind wir beim Essenziell­en, nachdem reine Spargelüst­e ja kaum zu einem Range Rover führen dürften: Die Antriebsku­ltur geht mit dem Nimbus der noblen Karosse Hand in Hand. Es ist ein Ge- nuss, sich lautlos und geschmeidi­g in Bewegung zu setzen, mit dem Gaspedal zu verzögern (und Strom zu bunkern), und generell hängt das Auto durch das permanent voll vorhandene Drehmoment des E-Motors fein am Gas, besser als die großen Maschinen solo. Im Boost-Bereich wird von beiden Motoren alles in die Schlacht geworfen, so kommt man unter anderem auf vorzüglich­e Sprintwert­e und 220 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t. In den Fahrleistu­ngen ist der Elektrifiz­ierte beiden Dieseln, V6/V8, überlegen.

Das Szenario für die großen Kisten ist ohnehin festgeschr­ieben: V8 und V6 werden aussterben und durch künftig quer eingebaute Vierzylind­er ersetzt, auf diese Weise ist Platz für noch mehr Elektroant­eil.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria