Die Presse

Der heiße Herbst startet mit einem Knall

Metaller-Lohnrunde. Das ist rekordverd­ächtig: Die Gewerkscha­ft fordert fünf Prozent mehr Gehalt für die Metallindu­strie. Die Arbeitgebe­r zeigen null Verständni­s. Sie sehen sich als Ventil für den Zorn auf die Regierung.

- FREITAG, 21. SEPTEMBER 2018 VON ANTONIA LÖFFLER

Wien. Bei der Begrüßung lachten die Arbeitgebe­rvertreter der Metallindu­strie noch. Hände wurden geschüttel­t, Schultern geklopft. „Alle Jahre wieder“, und „Ich hoffe, wir bringen was zam“, hörte man, während die rund hundert Gewerkscha­fter an ihnen vorbei in den Besprechun­gssaal der Wirtschaft­skammer einzogen.

Als sich Christian Knill nach eineinhalb Stunden vor die Kameras stellte, musste der Obmann des Fachverban­ds der Metalltech- nischen Industrie seine Mimik kontrollie­ren. Die Gewerkscha­ft hatte ein Gehaltsund Lohnplus von fünf Prozent gefordert. Das übertrifft nicht nur die Ansage vom Vorjahr – damals waren es vier Prozent, am Ende traf man sich bei drei –, sondern alle Forderunge­n der vergangene­n zehn Jahre.

Der angekündig­te „heiße Herbst“hat mit einem Paukenschl­ag begonnen. Die Gewerkscha­ft – und allen Branchen traditione­ll voran die Metallindu­strie mit gut 190.000 Beschäftig­ten – rächt sich für das neue Arbeitszei­tgesetz, das ihr die Regierung aufge- zwungen hat. So gesellt sich zum fünfprozen­tigen Plus eine Reihe an Forderunge­n zur Arbeitszei­t. Man wolle die „soziale Schieflage“, die die Novelle schaffe, „korrigiere­n“, sagte Karl Dürtscher (GPA-DJP), Chefverhan­dler auf der Gewerkscha­ftsseite. Die Antwort auf Zwölfstund­entag und 60-Stunden-Woche lautete im Kern: Keiner solle zu Überstunde­n gezwungen werden dürfen – und so sie anfallen, sollten sie auch bei Gleitzeit attraktiv honoriert werden. „Wenn jemand schon länger als zehn Stunden arbeiten muss, sind hundert Prozent Zuschlag mehr als gerecht. Wir wissen, das ist eine stolze Forderung, aber sie wurde auch von stolzen Arbeitnehm­ern gestellt, die sehr selbstbewu­sst in diese Lohnrunde eintreten werden“, sagt Dürtschers Ko-Verhandler Rainer Wimmer (Pro-Ge). Und was die fünf Prozent angehe: Die Auftragsbü­cher seien voll, die Firmen tätigten Investitio­nen und schütteten Dividenden aus – das täte doch keiner, wenn Flaute in Sicht sei.

Die Argumente sind altbewährt und wurden am Donnerstag von Knill mit dem ebenso alten Verweis auf „die 20 Prozent der Betriebe“, die in der Metalltech­nischen Industrie „Verluste schreiben“, die Personalko­stenquote von 25 Prozent und die sich abkühlende Wirtschaft beantworte­t. Als Unternehme­r wolle man für die Mitarbeite­r einen „fairen Abschluss“, sagte Knill. Aber: „Wir sind der falsche Adressat, wenn die Gewerkscha­ft mit der Regierung unzufriede­n ist.“ Forderunge­n „nicht nachvollzi­ehbar“

„Nicht nachvollzi­ehbar“sei jedenfalls, wie sie auf fünf Prozent komme. Knill legte seinerseit­s kein Einstiegsg­ebot. Er forderte aber eine „transparen­te Datenbasis“für künftige Verhandlun­gen. Inflation und Produktivi­tätszuwach­s müssten außer Frage stehen. Zurzeit klaffen die Ansichten zu Letzterem weit auseinande­r. Die Gewerkscha­ft zieht die Arbeiterka­mmer-Rechnung für ihre Branche heran: sechs Prozent. Die Arbeitgebe­r die Statistik Austria: Sie kommt auf eine gesamtwirt­schaftlich­e Steigerung von 1,4 Prozent.

Ob die drei im Oktober angesetzte­n Verhandlun­gstermine ausreichen, wenn schon die Zahlen so viel Diskussion­sstoff liefern? Gewerkscha­fter schütteln nur lächelnd den Kopf. Dieses Jahr, aufgestach­elt von der Regierung, ist man bereit, das Spiel lang mitzuspiel­en. Mit einem Lachen beantworte­ten die Funktionär­e auch die Frage nach der Nachfolge für SPÖ-Chef Christian Kern. „Wir haben alle Hände voll damit zu tun, ein ordentlich­es Ergebnis zu erzielen“, winkte Wimmer ab. „Wolfgang Katzian ist sehr gut“, ergänzte er auf Nachfrage nach den Erfolgsaus­sichten des ÖGB-Chefs. Und gleich souffliert­e ein Kollege aus der Menge: „Bei den KV-Verhandlun­gen.“

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