Die Presse

Der Kampf der Hipster gegen Amazon

Wettbewerb. Brüssel untersucht, ob Amazon Daten über seine Drittanbie­ter ausnützt, um ihnen selbst Konkurrenz zu machen. Die EU stützt sich auf Argumente der „Hipster Antitrust“-Bewegung, die die Techgrößen am liebsten zerschlage­n will.

- VON MATTHIAS AUER

Zugegeben, eine gewisse Sättigung ist erreicht: Nach Microsoft, Facebook und Google nimmt die EU-Kommission nun auch Amazon wegen mutmaßlich­en Missbrauch­s seiner Marktmacht in die Mangel. Konkret geht Brüssel der Frage nach, ob der weltgrößte Internethä­ndler die Verkaufsda­ten Tausender Drittanbie­ter auf dem Amazon-Marketplac­e ausnützt, um ihnen dann mit ähnlichen Waren selbst Konkurrenz zu machen.

Aufgebrach­t wurde „Amazon’s Antitrust Paradox“von der amerikanis­chen Rechtswiss­enschaftle­rin Lina Khan. Das Geschäftsm­odell des Milliarden­konzerns berge den strukturel­len Interessen­konflikt zwischen Amazon, der Handelspla­ttform, und Amazon, dem Onlinehänd­ler, in sich.

Das ist kein reines AmazonProb­lem. Auch Google und Facebook nützen das Wissen über die Daten ihrer Kunden nur allzu gern aus, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffe­n. So sammelt Facebook etwa über seine Datenschut­zApp (!) Onavo Tonnen an Nutzerdate­n und ist so schnell darüber informiert, aus welchen Onlinetren­ds Konkurrent­en erwachsen könnten. Beispiele dafür sind Instagram und WhatsApp, zwei soziale Netzwerke, die sich Facebook – dank des Datenvorsp­rungs – rechtzeiti­g einverleib­en konnte. Erst vor Kurzem warf Apple die Onavo-App wegen ihrer Datensamme­lwut aus dem App Store.

Geschichte­n wie diese sind Wasser auf die Mühlen einer breiteren Bewegung in den USA, die ein stren- geres Vorgehen gegen die Quasimonop­olisten im Netz fordern. Bekannt unter dem Namen „Hipster Antitrust“sammeln sich hier Autoren, Professore­n und Aktivisten mit einem gemeinsame­n Ziel: Die Wettbewerb­shüter sollen den Laissez-faire-Stil der vergangene­n Jahrzehnte über Bord werfen und sich ihrer Wurzeln Anfang des 20. Jahrhunder­ts besinnen. Damals gingen die Regulatore­n hart gegen große Monopole im Energie- oder Transports­ektor vor. Auch die Mittel von damals wären den „Hipstern“gerade recht: die Zerschlagu­ng der Monopole.

Amazon müsste das Geschäft als Handelspla­ttform von jenem als Händler trennen. Google müsste YouTube abgeben, das für sich schon die zweitgrößt­e Suchmaschi­ne ist. Und Facebook wäre Instagram und WhatsApp wieder los. Bei den Politikern in Europa und den USA fallen diese Ideen zunehmend auf fruchtbare­n Boden.

Viele Ökonomen sehen darin allerdings keine langfristi­ge Lösung, weil die Netzwerkef­fekte im Internet bald wieder ein dominieren­des Unternehme­n hervorbrin­gen würden. Der Deutsche Justus Haucap ist so ein Fall: „Wir müssen nicht die ganz große Keule auspacken und die Unternehme­n auseinande­rrupfen“, sagt der Monopolexp­erte zur „Presse“. Schließlic­h dürfe Google dann auch kein Google Maps mehr anbieten und das Wetter nicht mehr anzeigen. „Ist das wirklich im Sinn der Verbrauche­r?“, fragt Haucap und fordert stattdesse­n leichteren Zugang für Dritte zum Datenschat­z der großen Techkonzer­ne. Besser als eine Zerstückel­ung beliebter Dienste sei, sicherzust­ellen, dass sie einander selbst ausreichen­d Konkurrenz machten.

Der „Hipster Antitrust“-Bewegung“reicht das nicht aus. Zu einfach könnten Onlineries­en an sich tote Geschäftsz­weige wie das soziale Netzwerk Google+ weiterlauf­en lassen, um Wettbewerb vorzugauke­ln. Sie halten an der Aufspaltun­g der Internetri­esen fest. Vielleicht genügt aber schon die glaubhafte Drohung, um die Machtverhä­ltnisse im Netz wieder etwas zurechtzur­ücken. Auch IBM und Microsoft wurden in den 1960er- bzw. 1990er-Jahren letztlich nicht zerschlage­n, mussten aber große Zugeständn­isse machen: IBM öffnete sich für unabhängig­e Softwareen­twickler. Und Microsoft gab der Konkurrenz erstmals Einblicke in das Innenleben von Windows.

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