Neue Oper Wien: Ein Endspiel der Zweisamkeit
Jubel für Gerhard Schedls musikalisches Beziehungsdrama „Julie & Jean“im Semperdepot.
„Fin de fete.ˆ Fin de partie“, stößt Jean gegen Ende hervor. Knapp 18 Jahre ist es her, dass Gerhard Schedl, damals 43, den Tod wählte. Dass sein Schaffen präsent geblieben ist, spricht für dessen Kraft, die sich in seinen Musiktheaterwerken am stärksten offenbart. Man nennt sie am besten „eklektisch“; in „Julie & Jean“, komponiert 1999 (Libretto: Bernhard Glocksin nach Strindberg-Motiven), äußert sich das in einer spätromantischen Klangwelt in ihrem atonalen Spätherbst. Die Ausdrucksgewalt erwächst aus Schedls Fähigkeit, aus der Opernbibliothek des 19. und 20. Jahrhunderts emotionale Anklänge abzurufen, die bekannt sind und zugleich eigenständig wirken. Hinzu kommt hier der Palestrina-Stil des Chores, der sich in Einwürfen einer lateinischen Messe ergeht: Stark und gut, dass Regisseur Carlos Wagner am Höhepunkt mit den nackten Artisten Pamina Milewska und Will Lopes sowie dem glasklaren Wiener Kammerchor einen Altar der Sinnlichkeit statt der Kasteiung errichtet. Beklemmendes Beziehungsdrama
Die Neue Oper Wien hat „Julie & Jean“ins Wiener Semperdepot zurückgeholt, den Ort der posthumen Uraufführung 2003, in dem nun Walter Kobera´ mit dem Amadeus-Ensemble Wien in Schedls malerisch-expressiven, differenzierten Gefühlseruptionen schwelgt. Anna Maria Pammer beherrscht als lebenshungrige Julie auch den herablassenden Tonfall der höheren Tochter. Wer dagegen den plebejischen Kerl Wolfgang Koch von einst im Gedächtnis hat, dem wird der feingliedrig-noble Adrian Eröd zunächst wie eine luxuriöse Fehlbesetzung vorkommen. Doch macht er sich als Jean musikalisch bezahlt, was der Darstellung zugute kommt: Wenn Eröd hoch liegende Lyrismen liedhaft schlicht ausbreitet und andernorts seinen Bariton kernig einsetzt, macht diese Spannweite die Figur nur interessanter. Pammer hat zwar Mühe mit manchen Spitzentönen, trifft aber die exaltierte Figur. Schließlich fragt man sich, ob der Standesunterschied der Vorlage hier noch eine Rolle spielt, in diesem befremdlichen Beziehungsdrama, in dem es weniger um Liebe als um Macht geht – und erotische Anziehungskraft, ausgelebt allein zum eigenen Vorteil.