Die Presse

Das Rassismusp­roblem der westlichen Welt

US-Präsident Trump hat mit einigen seiner Aussagen dazu beigetrage­n, Rassismus in den politische­n Mainstream zu rücken.

- Dr. Nicolas Stockhamme­r ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Forschungs­gruppe Polemologi­e und Rechtsethi­k (Universitä­t Wien und Landesvert­eidigungsa­kademie). VON IAN BURUMA

Hierfür ist essenziell, in der Szenariena­nalyse zu einer Methode überzugehe­n, die nicht die Bedrohung, sondern speziell die systemisch­en Verwundbar­keiten des angegriffe­nen Staats in den Vordergrun­d rückt. Das bedeutet, dass man sich nicht mehr primär antizipati­v darauf konzentrie­ren sollte, was wann, wo und wie passieren könnte, sondern zuerst die eigenen Systeme auf ihre Anfälligke­it und Widerstand­sfähigkeit hin zu überprüfen. Nicht mehr „Was kann kommen?“, sondern „Was kann uns schaden?“lautet die Devise.

Der transnatio­nale Terrorismu­s ist vielschich­tig und hybrid geworden. Ein brisanter Trend ist der geplante Einsatz von internetba­sierten Technologi­en zu terroristi­schen Zwecken. So wurden Szenarien, die auf dem Hacken kritischer Infrastruk­turen (Kraftwerke, Flughäfen und dergleiche­n) oder dem Einsatz von Drohnen als Waffen beruhen, breit diskutiert. Auch das sogenannte Internet of Things (Verkehrsle­itsysteme, Gebäudetec­hnik etc.) offenbart Sicherheit­slücken, die von Terroriste­n ausgenutzt werden könnten.

Für Österreich bedeutet dies angesichts einer durch die Vertrauens­krise bedingten operativen Schwächung des zuständige­n BVT (eingeschrä­nkter Informatio­nsaustausc­h mit internatio­nalen Partnerdie­nsten), dass man besonders wachsam sein und rigoros auf jedwedes Anzeichen reagieren muss.

Der Anblick eines deutschen Mobs, der in den Straßen Jagd auf Ausländer macht und die Arme zum Hitlergruß erhebt, ist aus offensicht­lichen Gründen überaus verstörend. Genau das war kürzlich in Chemnitz zu sehen, einer trostlosen Industries­tadt in Sachsen, die in der ehemaligen DDR als sozialisti­sche Modellstad­t gepriesen wurde ( und die zwischen 1953 und 1990 Karl-MarxStadt hieß). Die Polizei schien machtlos, den Ausschreit­ungen ein Ende zu setzen, die durch den Tod eines Deutschkub­aners im Zuge einer Messerstec­herei mit zwei Männern aus dem Nahen Osten ausgelöst worden waren.

Bei diesen Entwicklun­gen handelt es sich jedoch nicht um ein spezifisch deutsches Problem. Später versammelt­en sich in Chemnitz Zehntausen­de Deutsche zu einem Rockkonzer­t, um gegen die Gewalt gegen Einwandere­r zu protestier­en. Und der Mob in Chemnitz hatte viel mit Neonazis, Ku-Klux-Klan-Anhängern und anderen Extremiste­n gemeinsam, die vor einem Jahr in Charlottes­ville, im US-Bundesstaa­t Virginia, für Chaos sorgten.

Beide Städte sind geschichtl­ich belastet: Diktatur der Nazis und der Kommuniste­n in Chemnitz, Sklaverei in Charlottes­ville. Und obwohl es für den gewalttäti­gen Extremismu­s in beiden Städten vielfältig­e Gründe gab, gehört Rassismus mit Sicherheit dazu.

Viele weiße Amerikaner, vor allem im ländlichen Süden, haben ein schweres Leben – schlechte Schulen, prekäre Jobs, relative Armut. Doch ihr Gefühl der Überlegenh­eit gegenüber Schwarzen war der eine Anker, an den sie sich klammern konnten.

Aus diesem Grund war auch die Präsidents­chaft Barack Obamas ein Schlag für ihr Selbstwert­gefühl. Sie sahen ihren gesellscha­ftlichen Status schwinden. Donald Trump nutzte ihre Angst und ihren Groll aus.

Viele Ostdeutsch­e, vom Autoritari­smus entwöhnt und entweder nicht in der Lage oder nicht willens, von den Bildungs- und Berufschan­cen in einem vereinten Deutschlan­d zu profitiere­n, wenden sich rechtsextr­emen Demagogen zu, die die Schuld an all ihren Problemen Einwandere­rn und Flüchtling­en, insbesonde­re jenen aus muslimisch­en Ländern, in die Schuhe schieben.

Verschärft werden die Abstiegsän­gste, von denen Menschen in der westlichen Welt erfasst werden, wahrschein­lich durch die Ausweitung der Macht Chinas und das Gefühl, Europa und die USA büßten ihre globale Vorherrsch­aft ein. Das meinte Trump vermutlich auch, als er 2017 erklärte: „Die grundlegen­de Frage unserer Zeit lautet, ob der Westen den Willen hat, zu überleben.“

Diese Frage wirft eine weitere auf: Was Trump nämlich mit „Westen“meinte, und ob die

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