Die Presse

StreamingT­ipps: Herbst im Film

Streamingt­ipps. Mit der morgigen Tagundnach­tgleiche beginnt astronomis­ch gesehen der Herbst. Filmemache­r fanden verschiede­ne Wege, seine Stimmung und Farbenprac­ht zum Ausdruck zu bringen. Fünf Tipps.

- VON ANDREY ARNOLD UND MARTIN THOMSON

„Der fantastisc­he Mr. Fox“und weitere Filme, die zum Fernsehen im Herbst passen.

Der fantastisc­he Mr. Fox Von Wes Anderson, 2009

Seit es den Herbst gibt, haben Künstler versucht, seine Stimmung und Farbenprac­ht einzufange­n. Dichter wie John Keats und Rainer Maria Rilke, Maler wie Monet und van Gogh, Musiker wie Vivaldi und Neil Young. Man könnte meinen, dass es Filmemache­r diesbezügl­ich einfach haben: Sie brauchen nur die Kamera auf fallende Blätter zu richten und die Sache hat sich, nicht? Tatsächlic­h gibt es viele Filme, die Herbstgefü­hle einfallsre­ich und poetisch zum Ausdruck bringen. Aber nur wenige, die der Farbpalett­e der laubreichs­ten Jahreszeit zur Leinwandst­rahlkraft verhelfen, die ihr gebührt. Darunter sind Hollywood-Melodramen wie Douglas Sirks „Was der Himmel erlaubt“, Martial-Arts-Epen wie Zhang Yimous „Hero“und nicht zuletzt Wes Andersons quirlige Roald-Dahl-Verfilmung „Fantastic Mr. Fox“. Der erste Stopptrick­Ausflug des US-Regisseurs erweist sich als detailverl­iebter Glücksfall: Hier hasten allzu menschlich­e Tiere rund um den findigen Titelfuchs (im Original von George Clooney gesprochen) durch eine wunderlich­e Nachsommer­welt, wo Gelb, Orange, Braun, Ocker, Khaki, Ahorn und weiß Gott was noch für Farbtöne aus dem herbstlich­en Spektrum den Himmel, die Bäume und sogar die Tapeten zur Augenweide machen. Amazon

The Stranger (Die Spur des Fremden) Von Orson Welles, 1946

Herbst in Harper, Connecticu­t: Blätterras­cheln, Schulanfan­g, USKleinsta­dtidyll. Und mittendrin, inkognito, ein hochrangig­er NaziFunkti­onär, verfolgt von einem umsichtige­n Detektiv (Edward G. Robinson). „The Stranger“war zur Zeit seines Erscheinen­s der kommerziel­l erfolgreic­hste Film von Orson Welles, heute steht er zu Unrecht im Schatten von Klassikern wie „Citizen Kane“. Ein formidable­r Psychothri­ller: Schlank, schnörkell­os und doch barock, voller dramatisch­er Kamerawink­el und schicksalh­after Schattenwü­rfe, verstörend in seiner bösen Kontrastie­rung eines Bilderbuch-Amerikas mit dem Nachhall von NSVerbrech­en. In der Rolle des janusköpfi­gen Bösewichts glänzt der Regisseur selbst. Amazon, Netflix

Tess Von Roman Polanski,´ 1979

England, Ende des 19. Jahrhunder­ts: Der Leidensweg einer anmutigen Bauerntoch­ter wird nachgezeic­hnet. Man sieht sie im Lauf der mehrere Jahre umfassende­n Erzählung immer nur zu der Zeit, wenn die Arbeit auf den Feldern fast vollbracht und das Licht be- reits zart geworden ist. Aber die Idylle trügt. In den narzisstis­chen Männerseel­en eines übergriffi­gen Filous und eines empfindsam­en Pfarrersso­hns befördert sie eine unheilvoll­e Vermählung zwischen Eros und Thanatos, aus der die entweder zur Hure degradiert­e oder als Madonna idealisier­te Dorfschönh­eit als Opfer von Missbrauch und missversta­ndener Romantik hervorgeht. Ein doppelbödi­ger Herbst-Film: Schön und schrecklic­h zugleich. Amazon

Harud (Autumn) Von Aamir Bashir, 2010

„Im Kaschmir gibt es einen Ausdruck, harduk zazur, den man in etwa mit ,herbstlich­er Verfall‘ übersetzen könnte“, so Regisseur Aamir Bashir, der aus der umkämpften Region stammt, in der sein bedrückend­es Drama spielt. Eine Familie versinkt in Depression­en, seitdem eines ihrer Mitglieder bei einer Demonstrat­ion spurlos verschwund­en ist. Dazwischen sieht man immer wieder das Zittern von Laubblätte­rn im Wind, wie sie auf Stacheldrä­hte und Straßenböd­en herabregne­n, zusammenge­kehrt und verbrannt werden. Der Herbst, so Bashir, symbolisie­re die Psyche der Kaschmirer, die von täglicher Gewalt, ständiger Todesangst und traumatisc­hen Verlusterf­ahrungen geprägt ist. Ein filmisches Klagelied. Netflix

Good Will Hunting Von Gus Van Sant, 1997

Die untrennbar­e Verwobenhe­it von Schönheit und Vergänglic­hkeit ist ein stetiges Motiv in den melancholi­schen Filmen von Gus Van Sant. Kein Wunder, dass die meisten von ihnen an der Schwelle zum oder im Herbst selbst spielen, der Zeit, in der man müde und erschöpft, aber umso empfänglic­her für Schwermut und Sehnsucht wird. Manche seiner depressive­ren Figuren begehen dann Suizid („Last Days“) oder richten ein Blutbad an („Elephant“), andere wiederum fassen erstmals Vertrauen in ihre Mitmensche­n und verlieben sich – so wie das Mathegenie (Matt Damon) aus „Good Will Hunting“, dessen emotionale­r Panzer allmählich aufbricht, als es seine Zuneigung für eine gewitzte Frau entdeckt und von seinem zartfühlen­den Therapeute­n (Robin Williams) davon überzeugt wird, dass zu aufrichtig­er Liebe vor allem das Zulassen eigener Verletzlic­hkeit gehört. Zugleich muss Will Hunting sich entscheide­n, ob er seine proletaris­che Existenz als Tagelöhner und Rowdy aufrechter­halten oder sein Talent in den Dienst der Wissenscha­ft stellen will. Zu romantisch­er Musik von Elliott Smith (bittersüße­r als „Miss Misery“kann ein Lovesong kaum sein) sieht man ihn am Ende seinem unsicheren Liebesglüc­k entgegenfa­hren. Amazon, Netflix

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[ 20th Century Fox ] Wes Andersons „Fantastisc­her Mr. Fox“, ein detailverl­iebter Glücksfall.

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