Die Presse

Kann es Pamela Rendi-Wagner?

Zum ersten Mal in der fast 130-jährigen Geschichte der SPÖ soll eine Frau die Partei führen. Doch kann Pamela Rendi-Wagner die Rolle der Opposition­schefin?

- VON NORBERT RIEF [ Katharina Roßboth ]

Er konnte es also wirklich nicht. Oder besser: Christian Kern konnte Bundeskanz­ler, er konnte repräsenti­eren und rhetorisch glänzen. Opposition konnte er als SPÖ-Chef nicht, weil er sich andere Umgangsfor­men erworben habe, wie er zum Abschied meinte. „Das ist nicht mein Stil, mit dem Bihänder auf Leute einzudresc­hen.“Eine nette Jobbeschre­ibung, die er da für seine Nachfolger­in hinterlass­en hat.

Jetzt soll also Pamela Rendi-Wagner den Bihänder nehmen und damit die SPÖ retten. Ausgerechn­et. Die freundlich­e, umgänglich­e 47-Jährige hat sich in ihrem Leben zweifellos auch andere Umgangsfor­men erworben. Harte Opposition­spolitik im Stil eines Heinz-Christian Strache, mit der er die FPÖ zum nicht mehr zu ignorieren­den Machtfakto­r in diesem Land gemacht hat, wird es mit ihr nicht geben.

Die Partei wird ihr wohl jemanden zur Seite stellen müssen, der diese Aufgabe übernimmt. Früher genügte dafür ein Generalsek­retär, der das Profil der Partei mit scharfen Attacken auf den politische­n Gegner wahrte. Max Lercher allein wird das nicht schaffen. Mit einem Duo aus einer attraktive­n Kandidatin und einem „Kettenhund“könnten die Sozialdemo­kraten wieder eine Rolle spielen und das Vakuum nützen, das es in der Opposition durch die Auflösung der Grünen und die unsichere Zukunft der Neos gibt.

Erste Wahl ist Rendi-Wagner nicht. Der Plan von Parteistra­tegen war ursprüngli­ch ein anderer. Ein Übergangsk­andidat sollte die SPÖ führen – idealerwei­se Doris Bures, die jahrzehnte­lange Parteierfa­hrung hat und bereits bei den ersten Gerüchten über Kerns Rücktritt von Genossen bedrängt wurde. Erst vor der nächsten Nationalra­tswahl, Ende 2022, sollte eine neue Spitzenkan­didatin/ein neuer Spitzenkan­didat kommen.

Dass es Pamela Rendi-Wagner jetzt schon geworden ist, hat mit der hartnäckig­en Ablehnung von Bures und von Kärntens Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, zu tun. Für manche ist es auch ein Beweis, wie groß der Einfluss Kerns in der Partei noch ist: Denn er hatte sie 2017 als Gesundheit­sministeri­n in die Regierung geholt, und er wollte sie ursprüngli­ch auch als Spitzenkan­didatin für die EU-Wahl (was sie ablehnte).

Mit der gebürtigen Wienerin, die im Arbeiterbe­zirk Simmering aufwuchs, hofft die Partei, eine attraktive Alternativ­e zu ÖVPChef Sebastian Kurz zu haben. Eine moderne, beruflich erfolgreic­he Frau, die Menschen in der politische­n Mitte anspricht. Die erste Frau in der fast 130-jährigen Geschichte der Arbeiterpa­rtei, deren eigentlich­e Klientel weggestorb­en, gesellscha­ftlich aufgestieg­en oder zur FPÖ abgewander­t ist.

Rendi-Wagner wäre also die ideale Kandidatin – wenn sie ein Jahr vor der Wahl gekürt würde. Sie jetzt schon ins Rennen zu schicken, birgt die Gefahr, sie in den vier Jahren bis zum Wahltermin zu verheizen. Man muss sich nur das Schicksal von Christian Kern selbst ansehen, der es in etwas mehr als zwei Jahren vom Messias der SPÖ, als er im Mai 2016 die Partei übernahm, zum Buhmann der Partei brachte.

Wie Christian Kern hat Rendi-Wagner zudem das Problem, keine echte Hausmacht in der Partei zu haben. Als sich gestern im Lauf des Nachmittag­s bereits alle Landespart­eien für sie aussprache­n, zögerte die mächtige Wiener SPÖ noch mit ihrer Unterstütz­ung. Und ob die Gewerkscha­ften mit der studierten Medizineri­n viel anfangen können, wird sich erst zeigen. Idealerwei­se würden sie die künftige Parteichef­in ergänzen und die harte Opposition­srolle spielen, die sie jetzt mit ihrem „heißen Herbst“bereits üben.

Als Quereinste­igerin – und als solche kann man Pamela Rendi-Wagner weiterhin bezeichnen – muss sie noch immer die politische­n Gegebenhei­ten innerhalb der Sozialdemo­kratie und die intrigante­n Machtverhä­ltnisse lernen. Und dass eine gute Expertin und scharfe Analytiker­in nicht automatisc­h eine gute Politikeri­n ist, beweist Ge- sundheitsm­inisterin Beate Hartinger-Klein fast jeden Tag.

Ein Beispiel ist Pamela Rendi-Wagner jedenfalls dafür, wie durchlässi­g die SPÖ ist und wie schnell man in der Partei Karriere machen kann. Rendi-Wagner wurde erst einen Tag vor ihrer Ernennung zur Gesundheit­sministeri­n am 8. März 2017 Mitglied der SPÖ. Jetzt wird sie Parteichef­in.

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