Die Presse

Brüssel warnt Wien vor gekürztem Kindergeld

Familienbe­ihilfe. Arbeitskrä­fte aus den EU-Nachbarlän­dern müssen für ihre Familie dieselben Sozialleis­tungen erhalten wie Inländer, selbst wenn ihre Kinder im Ausland leben. EU-Kommission durchkreuz­t damit die Pläne der Bundesregi­erung.

- VON WOLFGANG BÖHM

Eigentlich sollte nach den Plänen der Bundesregi­erung im Herbst die Reform der österreich­ischen Familienbe­ihilfe umgesetzt werden. Doch Brüssel warnt Österreich bereits im Vorfeld vor einer Anpassung, die mit EU-Recht unvereinba­r ist. Die EU-Kommission lehnt, wie nun der „Presse“in einem Dokument vorliegt, ausdrückli­ch eine Kürzung des Kindergeld­s für Arbeitnehm­er aus anderen Mitgliedst­aaten ab.

„Unter derzeitige­n Regeln müssen mobile Arbeitnehm­er dieselben Kinderbeih­ilfen erhalten wie lokale Arbeitnehm­er, ungeachtet, wo die jeweiligen Kinder ihren Wohnort haben“, teilte die zuständige EU-Kommissari­n Marianne Thyssen dem Europäisch­en Parlament auf Anfrage mit. Österreich­s Regierung hat geplant, die Familienbe­ihilfe für jene Kinder, die nicht mit dem Arbeitnehm­er in Österreich leben, an das jeweilige Preisnivea­u des Wohnorts anzupassen. In den meisten Fällen wäre das eine Kürzung. Pro Jahr zahlt Österreich (letzte Zahlen aus 2016) 291 Millionen Euro für Kinder, die im Ausland gemeldet sind.

Thyssen kündigte zudem an, sie werde die Maßnahmen in Österreich prüfen, sobald es einen konkreten Gesetzesbe­schluss gibt. Die Einschätzu­ng gab die Kommissari­n diese Woche in einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der kroatische­n Europaabge­ordne- ten Dubravka Suicaˇ bekannt. Die Delegation­sleiterin der kroatische­n HDZ im EU-Parlament kritisiert­e gegenüber der „Presse“, dass „Maßnahmen, wie sie in Österreich, Deutschlan­d und Dänemark vorbereite­t werden, die EU spalten werden. Sie machen Kinder von ausländisc­hen Arbeitskrä­ften, die nicht im selben Land leben, zu ZweiteKlas­se-Bürgern.“

Suica,ˇ die ehemalige Bürgermeis­terin von Dubrovnik, ist in derselben Fraktion wie die ÖVP-Europaabge­ordneten, deren Delegation­sleiter Othmar Karas seit Bekanntwer­den der Pläne 2015 vor einer rechtli- chen Unvereinba­rkeit warnt. Eine solche Regelung verstoße gegen das in den EU-Verträgen festgeschr­iebene Verbot, andere EUBürger zu diskrimini­eren, argumentie­rte Karas schon damals, fand damit aber kein Gehör in der eigenen Partei. Auf Anfrage der „Presse“erklärte Karas am Freitag: „Das, was Kommissari­n Thyssen jetzt sagt, habe ich schon immer gesagt. Solange die europäisch­e Rechtslage so ist, erwarte ich, dass Österreich diese Rechtslage respektier­t.“

Der einzige Weg, um die Indexierun­g des Kindergeld­s durchzu- setzen, wäre demnach eine Änderung des EU-Rechts. Zwar gibt es beispielsw­eise in Deutschlan­d und den Niederland­en Sympathien für eine solche Reform, osteuropäi­sche Regierunge­n lehnen sie aber strikt ab. Die Praktiken einiger dieser Länder, solche Familienzu­schüsse aus dem Ausland zu besteuern, wird allerdings ebenfalls auf EU-Ebene kritisiert.

Sollte Österreich ungeachtet der Einwände eine Indexierun­g der Familienbe­ihilfe vornehmen, ist mit einer Klage der EU-Kommission zu rechnen. Bestätigt der Europäisch­e Gerichtsho­f wie erwartet die Einwände aus Brüssel, müsste Österreich die Differenz zum gekürzten Kindergeld später den betroffene­n Arbeitnehm­ern refundiere­n.

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