Brüssel warnt Wien vor gekürztem Kindergeld
Familienbeihilfe. Arbeitskräfte aus den EU-Nachbarländern müssen für ihre Familie dieselben Sozialleistungen erhalten wie Inländer, selbst wenn ihre Kinder im Ausland leben. EU-Kommission durchkreuzt damit die Pläne der Bundesregierung.
Eigentlich sollte nach den Plänen der Bundesregierung im Herbst die Reform der österreichischen Familienbeihilfe umgesetzt werden. Doch Brüssel warnt Österreich bereits im Vorfeld vor einer Anpassung, die mit EU-Recht unvereinbar ist. Die EU-Kommission lehnt, wie nun der „Presse“in einem Dokument vorliegt, ausdrücklich eine Kürzung des Kindergelds für Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten ab.
„Unter derzeitigen Regeln müssen mobile Arbeitnehmer dieselben Kinderbeihilfen erhalten wie lokale Arbeitnehmer, ungeachtet, wo die jeweiligen Kinder ihren Wohnort haben“, teilte die zuständige EU-Kommissarin Marianne Thyssen dem Europäischen Parlament auf Anfrage mit. Österreichs Regierung hat geplant, die Familienbeihilfe für jene Kinder, die nicht mit dem Arbeitnehmer in Österreich leben, an das jeweilige Preisniveau des Wohnorts anzupassen. In den meisten Fällen wäre das eine Kürzung. Pro Jahr zahlt Österreich (letzte Zahlen aus 2016) 291 Millionen Euro für Kinder, die im Ausland gemeldet sind.
Thyssen kündigte zudem an, sie werde die Maßnahmen in Österreich prüfen, sobald es einen konkreten Gesetzesbeschluss gibt. Die Einschätzung gab die Kommissarin diese Woche in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der kroatischen Europaabgeordne- ten Dubravka Suicaˇ bekannt. Die Delegationsleiterin der kroatischen HDZ im EU-Parlament kritisierte gegenüber der „Presse“, dass „Maßnahmen, wie sie in Österreich, Deutschland und Dänemark vorbereitet werden, die EU spalten werden. Sie machen Kinder von ausländischen Arbeitskräften, die nicht im selben Land leben, zu ZweiteKlasse-Bürgern.“
Suica,ˇ die ehemalige Bürgermeisterin von Dubrovnik, ist in derselben Fraktion wie die ÖVP-Europaabgeordneten, deren Delegationsleiter Othmar Karas seit Bekanntwerden der Pläne 2015 vor einer rechtli- chen Unvereinbarkeit warnt. Eine solche Regelung verstoße gegen das in den EU-Verträgen festgeschriebene Verbot, andere EUBürger zu diskriminieren, argumentierte Karas schon damals, fand damit aber kein Gehör in der eigenen Partei. Auf Anfrage der „Presse“erklärte Karas am Freitag: „Das, was Kommissarin Thyssen jetzt sagt, habe ich schon immer gesagt. Solange die europäische Rechtslage so ist, erwarte ich, dass Österreich diese Rechtslage respektiert.“
Der einzige Weg, um die Indexierung des Kindergelds durchzu- setzen, wäre demnach eine Änderung des EU-Rechts. Zwar gibt es beispielsweise in Deutschland und den Niederlanden Sympathien für eine solche Reform, osteuropäische Regierungen lehnen sie aber strikt ab. Die Praktiken einiger dieser Länder, solche Familienzuschüsse aus dem Ausland zu besteuern, wird allerdings ebenfalls auf EU-Ebene kritisiert.
Sollte Österreich ungeachtet der Einwände eine Indexierung der Familienbeihilfe vornehmen, ist mit einer Klage der EU-Kommission zu rechnen. Bestätigt der Europäische Gerichtshof wie erwartet die Einwände aus Brüssel, müsste Österreich die Differenz zum gekürzten Kindergeld später den betroffenen Arbeitnehmern refundieren.