Die Presse

Im Land der potenziell­en Neuwähler

Südtirol. Nach Kern und Kurz reist nun auch eine FPÖ-Delegation nach Bozen. Das Land erhält ungewöhnli­ch viel Aufmerksam­keit aus Österreich. Es steht aber auch keine gewöhnlich­e Wahl an.

- VON IRIS BONAVIDA

Eine direkte Zugverbind­ung zwischen Wien und Bozen soll es erst ab Winter 2019 geben, also reiste Verkehrsmi­nister Norbert Hofer am Freitagvor­mittag lieber privat an: Der freiheitli­che Vizepartei­chef flog sich und den EUAbgeordn­eten Harald Vilimsky selbst mit einer kleinen Propellerm­aschine nach Südtirol ein.

Landepunkt war der Bozener Flughafen, doch die beiden hatten ein spezielles Reiseziel: das Zentrum der Landeshaup­tstadt, wo die Südtiroler Freiheitli­chen ein „Meet and Greet“organisier­t hatten. Die FPÖ sollte der kleineren Schwesterp­artei Schützenhi­lfe bieten, so kurz vor der Landtagswa­hl am 21. Oktober.

Die FPÖ-Politiker waren allerdings nicht die ersten prominente­n Gäste aus Österreich, die in den vergangene­n Monaten südlich des Brenners empfangen wurden. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte erst vor einer Woche offiziell den Wahlkampf der Südtiroler Volksparte­i (SVP) miteröffne­t. Das Land sei für ihn „eine Herzensang­elegenheit“, der Wahlsonnta­g „auch für uns eine wichtige Entscheidu­ng“. Dann wünschte Kurz Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r noch viel Glück für seine Wiederwahl.

Das tat allerdings auch einer von Kurz’ Konkurrent­en, den die SVP im Juni zu Gast hatte: SPÖChef Christian Kern. Er hielt vor dem Arbeitnehm­erbund der Partei eine Ansprache zum Thema „Sozialdemo­kratie mit Blick auf die europäisch­e Entwicklun­g“.

In Österreich irritierte die Einladungs­politik, in Südtirol selbst wunderte man sich weniger: Die SVP sieht sich als Volksparte­i für die deutschspr­achige und ladinische Minderheit. Ideologie spielt dabei eine geringere Rolle als die Identität. Eine dezidiert sozialdemo­kratische Partei gibt es in Bozen mit dem Partito Democratic­o hauptsächl­ich für die italienisc­hsprachige Bevölkerun­g.

Also ist jede Hilfe aus Österreich willkommen. Vor allem für die Freiheitli­chen, die ein „Los von Rom“propagiere­n. Um die Verbundenh­eit zwischen Bozen und Wien zu verstärken, wurde der Südtiroler Freiheit auch ein fixer Sitz im Bundespart­eivorstand der FPÖ angeboten. Im Oktober wird dann Parteichef und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache in Bozen als Wahlkampfh­ilfe erwartet. Als Dank für die Unterstütz­ung gab es am Freitag noch „die Landesfar- ben in flüssiger Form“, wie es hieß. Also zwei Weinflasch­en – einmal in Rot, einmal in Weiß.

Die Doppelstaa­tsbürgersc­haften für Südtiroler wurden im Übrigen bei dem offizielle­n Aufritt von Hofer und Vilimsky nicht angesproch­en. Die FPÖ darf nicht zu offensiv vorpresche­n, um den Koalitions­partner nicht vor den Kopf zu stoßen. Es gilt der unausgespr­ochene Deal, das Thema vor der Landtagswa­hl nicht allzu sehr aufzuheize­n. Noch sind zu viele juristisch­e Fragen ungeklärt, noch ist die italienisc­he Regierung zu erbost über die Pläne aus Wien.

Doch sollten sie in einigen Jahren tatsächlic­h umgesetzt werden, könnten bei der nächsten österreich­ischen Wahl schon einige Südtiroler ihre Stimme abgeben. Wahlkampfa­uftritte in Südtirol sind dieses Mal also nicht nur reine Hilfen für die Schwesterp­arteien. Sondern auch eine mögliche Investitio­n für künftige Urnengänge.

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