„Lager wären eine Attraktion für Flüchtlinge“
Warum Kairo keine Anlandeplattformen will.
Der wichtigste EUGesprächspartner in Migrationsfragen ist derzeit Ägypten – das wurde Sebastian Kurz beim informellen Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Salzburg nicht müde, zu betonen. Von europäischer Seite ist ein Abkommen mit Kairo geplant, das den EU-Türkei-Deal aus dem Jahr 2016 zum Vorbild hat. Jene Anlandeplattformen in nordafrikanischen Ländern, in die auf dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge verbracht werden sollten, waren beim Gipfel dagegen kaum noch Thema: Bei den EU-Mitgliedern ist man zu der Einsicht gelangt, dass das Vorhaben nicht umsetzbar ist.
Das Problem: Bisher hat sich noch kein nordafrikanisches Land dazu bereit erklärt, solche Zentren zu errichten. Selbst aus Ägypten, das ja gute Gesprächskontakte nach Brüssel hat, kam eine klare Absage. Der ägyptische Politologe Hisham Hellyer erklärt, warum. „Ich kann nicht sehen, was Kairo von einem solchen Vorschlag hätte, außer die Europäer wären bereit, groß in Ägypten zu investieren“, sagt er in einem Gespräch mit der „Presse“. „Das wäre dann eine finanzielle Größenordnung für Europa, die derzeit nicht vorstellbar ist.“Ägypten habe vor allem Angst, selbst zum Magneten für Flüchtlinge zu werden, meint Hellyer, der für die Denkfabrik Atlantic Council arbeitet. „Solche Lager würden eine Attraktion für Flüchtlinge darstellen. Ägyptens Grenzen würden dann noch mehr das Ziel für Schlepper. Daran haben die Ägypter kein Interesse.“
Auch Ägyptens Sicherheitsapparat dürfte große Bedenken gegen ein solches Projekt haben. „Ägypten ist ein Staat, in dem der Sicherheitsapparat eng in die Macht eingebettet ist. Dieser würde die Anwesenheit einer großen Zahl von Ausländern, die aus Konfliktgebieten geflohen sind, als großes Sicherheitsproblem ansehen“, analysiert er. Das Fazit des Politologen: „Die Lager wären ein Kompressionspunkt, in dem viel Druck entsteht. Das will sich niemand antun.“(gaw)