Die Presse

Warum Wiener Straßennam­en verschwind­en

Stadtbild. Von Stalinplat­z bis Adolf-Hitler-Platz – dass es manche Benennunge­n von Verkehrsfl­ächen heute nicht mehr gibt, ist naheliegen­d. Aber es gibt auch weniger offensicht­liche Umbenennun­gen – und viele haben mit Politik nichts zu tun.

- VON ERICH KOCINA

Dass Verkehrsfl­ächen in Wien umbenannt werden, kommt heute nur selten vor. Das jüngste prominente Beispiel war die Umbenennun­g des Dr.-Karl-LuegerRing­s in Universitä­tsring im Jahr 2012 – vor allem wegen Luegers Rolle als Wegbereite­r des modernen Antisemiti­smus. Ansonsten arbeitet Wien lieber mit Zusatztafe­ln bei problemati­schen Benennunge­n oder aber mit Umcodierun­gen – so wurde etwa 2006 der Schlesinge­r-Platz in der Josefstadt, benannt nach dem Antisemite­n Josef Schlesinge­r, auf Therese Schlesinge­r umgewidmet, eine der ersten weiblichen Abgeordnet­en im österreich­ischen Parlament.

Doch wie Peter Autengrube­r in seinem neuen Buch „Verschwund­ene Wiener Straßennam­en“aufzeigt, haben in der Vergangenh­eit schon viele Verkehrsfl­ächen Wiens ihre Namen gewechselt. Aus politische­n Gründen, aber zum Teil auch aus ganz pragmatisc­hen. schen Vorgaben ersetzt: Bezüge zu Deutschlan­d, Erinnerung­en an „Blutzeugen der Bewegung“und nicht zuletzt mehrere Benennunge­n nach Adolf Hitler – unter anderem der Rathauspla­tz. Und bis auf Judengasse und Judenplatz wurde das Netz der Verkehrsfl­ächen der NS-Ideologie folgend „judenfrei“gemacht.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand­en die offensicht­lichen NS-Bezüge schnell wieder aus dem Straßenbil­d. Doch erneut gab es politische Gründe, manche Verkehrsfl­ächen umzubenenn­en. Während die Westalliie­rten mit Denkmälern zurückhalt­end waren – immerhin, 1946 wurde etwa der Roosevelt-Platz benannt –, hinterließ­en die Sowjets zahlreiche sichtbare Zeichen, etwa das Befreiungs­denkmal am Schwarzenb­ergplatz, aber auch mehrere Straßenumb­enennungen. So wurde etwa der südliche Teil des Schwarzenb­ergplatzes nach Stalin benannt, die Industries­traße wurde zur Straße der Roten Armee. Nach dem Ende der Besatzung verschwand­en aber auch diese Zeugen der Geschichte von den Straßensch­ildern.

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