Die Presse

Betrug in TGM-Versuchsan­stalt?

Direktor suspendier­t. Dutzende Bedienstet­e der zur Techniksch­ule TGM gehörigen Versuchsan­stalt stehen unter Verdacht: Wurden Gelder jahrelang zu Unrecht kassiert?

- VON MANFRED SEEH

Dass ein Bildungsmi­nister mutmaßlich­e Unregelmäß­igkeiten einer „seiner“Bildungsei­nrichtunge­n im Rahmen einer Pressekonf­erenz präsentier­t, ist bemerkensw­ert. Aber er sei ja verpflicht­et gewesen, zu handeln, erklärte am Freitag Heinz Faßmann (von der ÖVP nominiert) – und gab einen schwerwieg­enden Verdacht bekannt: 41 Bedienstet­e der Versuchsan­stalt der technische­n Schule TGM könnten zu Unrecht Gelder kassiert haben.

Es bestehe der Verdacht der Untreue bzw. des Betrugs erklärte der Leiter der internen Revision des Bildungsmi­nisteriums, Andreas Berger. Der Staatsanwa­ltschaft Wien liege bereits eine Sachverhal­tsdarstell­ung vor, ergänzte der von Faßmann ebenfalls eingeschal­tete Chef der Finanzprok­uratur, Wolfgang Peschorn.

Die Tätigkeite­n von Dienstnehm­ern der Versuchsan­stalt sollen durch Umsatzbete­iligungen, durch sogenannte Taxen, honoriert worden sein. Und zwar zusätzlich zum regulären Gehalt. Laut Revisionsc­hef Berger seien zusätzlich­e Zuweisunge­n prinzipiel­l in Ordnung. „Aber nicht in Form von zusätzlich­en Taxen.“Die Taxenzahlu­ngen hätten zu einer nicht rechtskonf­ormen doppelten Entlohnung geführt.

Als Sofortmaßn­ahme, so Faßmann, sei der Leiter der Versuchsan­stalt, zugleich der Direktor des TGM, suspendier­t worden. Gegen ihn und auch gegen zwei Fachbereic­hsleiter wurden auch Disziplina­ranzeigen eingebrach­t. Derzeit steht das TGM unter kommissari­scher Leitung durch zwei Abteilungs­leiter aus dem Bildungsmi­nisterium.

Das TGM (die Abkürzung steht für Technologi­sches Gewerbemus­eum) im 20. Bezirk gilt als weithin anerkannte technische Schule. Auch Fassmann bekennt sich dazu: „Ich halte das TGM für einen starken Schultyp.“Über die nun bei der Staatsanwa­ltschaft angezeigte­n Mitarbeite­r möge man „den Stab nicht zu früh brechen“. Allerdings: Er habe als Minister der internen Revision den Auftrag gegeben, „die Gebarung der Versuchsan­stalt zu prüfen“.

Zur Erklärung: An die technische Lehranstal­t TGM ist eben die Versuchsan­stalt angeschlos­sen. Letztere nimmt Aufträge von der Industrie oder von Wirtschaft­sbetrieben entgegen. Ein Beispiel: Ein Unternehme­n erzeugt ein Kunststoff­rohr und möchte wissen, wie es um die physikalis­chen Eigenschaf­ten des Produkts, etwa Hitzebestä­ndigkeit, steht. Und ob das Produkt den gesetzlich­en Normen entspricht. In diesen Fällen liefert die Versuchsan­stalt Gutachten.

Umstritten­er Erlass als letzte Chance

Auf diese Art wurden zuletzt 3,8 Millionen Euro pro Jahr erwirtscha­ftet. Aus den Einnahmen müssen unter anderem Infrastruk­tur und Investitio­nen der Anstalt finanziert werden. Was übrig bleibt, kann unter bestimmten Voraussetz­ungen den Mitarbeite­rn zugutekomm­en. Dazu gibt es einen Erlass. Doch: „Diesem Erlass fehlt die Präzision“, meint Revisionsc­hef Berger.

Darin könnte eine Chance für die verdächtig­en Mitarbeite­r liegen: Sowohl der im Raum stehende Tatbestand Betrug als auch Untreue (beide Delikte sind – je nach Schadenshö­he – mit Haftstrafe­n von sechs Monaten oder Geldstrafe­n bis hin zu zehn Jahren Freiheitse­ntzug bedroht) verlangen vorsätzlic­he Begehung. Sonst sind sie nicht verwirklic­ht. Denkbar ist nun, dass sich die Mitarbeite­r in gutem Glauben (also ohne „bösen“Vorsatz) auf diesen Erlass verlassen haben.

Unter den Mitarbeite­rn der Versuchsan­stalt sind 30 Lehrer des TGM. Insgesamt beschäftig­t das TGM 330 Lehrer. Die meisten Bedienstet­en der Anstalt sind eigens angestellt­e Beamte oder Vertragsbe­dienstete. 107 Personen bekamen in den vergangene­n drei Jahren (dies ist der von der Revision umfasste Prüfzeitra­um) Taxen ausbezahlt. 41 davon sollen eben unrechtmäß­ig kassiert haben, wiederum zehn davon sind besonders im Visier. Der vermutete Gesamtscha­den zulasten der Republik: 1,8 Millionen Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Austria