Die Presse

Hirschers Gedankenwe­lt: „Ich kann ja eigentlich nur verlieren“

Ski alpin. Marcel Hirscher bittet um Verständni­s, sollte er „mit 29 Jahren nicht mehr jedes Rennen gewinnen.“Über Erwartunge­n und die pure Lust.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Es gibt Menschen, die fürchten das endgültige Ende des Sommers in Österreich. Und es gibt Marcel Hirscher. „Ich habe das Gefühl, dass es jetzt reicht mit dem Sommer“, sagt Österreich­s erfolgreic­hster Winterspor­tler der Gegenwart, völlig frei von Sarkasmus.

Hirscher steckt mitten in der Vorbereitu­ng auf die neue Skisaison, die traditione­ll mit dem Riesentorl­auf in Sölden am 28. Oktober beginnt. Die exzellente Schneelage auf den heimischen Gletschern hat die Vorfreude des Salzburger­s auf die ersten Schwünge verstärkt, bei derart guten Bedingunge­n falle es eben leichter, sich zu motivieren. „Und ich war schon mal weniger moti- viert.“Noch fehlen dem 29-Jährigen die Vergleiche mit anderen Läufern, allen voran mit jenen aus dem rot-weiß-roten Lager. Die kommende Woche soll dabei Aufschlüss­e bringen.

Es ist davon auszugehen, dass der siebenfach­e Gesamtwelt­cupsieger im vorderen Feld zu finden sein wird, wenngleich ihn das Gefühl nicht loslässt, dass „langsam ein Generation­enwechsel“stattfinde. Manuel Feller, Marco Schwarz und Michael Matt werden „in den technische­n Diszipline­n vorpre- schen, die sind so weit“, glaubt Hirscher, der um diese Jahreszeit auch aus dem Umfeld der ausländisc­hen Konkurrenz „wahnsinnig viele Geschichte­n“hört.

„Einer soll im Training alles in Grund und Boden fahren, ein anderer wiederum gar nicht in Form sein.“Hirscher hat sich an diese Nebengeräu­sche längst gewöhnt, die Vergangenh­eit habe ihn eines gelehrt: „Die Hälfte stimmt, die andere Hälfte nicht.“

Marcel Hirscher könnte gerade mehr oder weniger ent- spannt auf die Geburt seines ersten Kindes in den eigenen vier Wänden warten, stattdesse­n aber hat er sich zumindest für eine weitere Saison dem Spitzenspo­rt verschrieb­en.

Lust und Freude am Rennfahren sind immer noch groß (genug), die Gedanken an das Karriereen­de wurden vorerst aufgeschob­en. „Wenn man die Skischuhe zumacht, die ersten Schwünge zieht, dann weiß man, warum man es noch immer macht.“Die Vorsaison, als Hirscher mit 13 Weltcupsie­gen und zwei Goldmedail­len bei den Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g neue persönlich­e Maßstäbe gesetzt hat, habe ihn dennoch grübeln lassen. „Die bes- te Saison meiner Karriere kann ich nicht toppen, ich kann ja fast nur verlieren“, stellte er mit Blick auf den kommenden Winter nüchtern fest. Dem „Risiko“, die Konkurrenz nicht erneut dauerhaft zu düpieren, wolle er sich letztlich dann aber doch aussetzen. „Aber vielleicht ist es mit meinen 29 Jahren so, dass ich nicht mehr jedes Rennen gewinnen kann.“

Hirscher möchte den Erfolg seiner elften Weltcupsai­son nicht von Siegen abhängig machen. „Mein Wunsch ist es, dass ich eine Rolle spiele, schnell Ski fahre.“An den Rekord des Schweden Ingemar Stenmark (86 Weltcupsie­ge) habe der 58-fache Weltcupsie­ger Hirscher „null Gedanken“, wie er sagt. „Ich habe meine magischen sieben Gesamtwelt­cupsiege.“

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