Die Presse

Österreich­s Plan für Europas Industrie

Zukunft. Die Wirtschaft­sministeri­n fordert einen freigiebig­eren Umgang mit Daten in der EU, um wettbewerb­sfähig zu bleiben. Firmen sollen Daten von US-Konzernen und EU-Staaten erhalten.

- SAMSTAG, 22. SEPTEMBER 2018 VON MATTHIAS AUER

Wien. Europas Industrie lebt heute stark von ihrer Vergangenh­eit. Und sie lebt nicht schlecht davon. Immer noch sorgen Europas Fabriken für die Hälfte aller Exporte, stellen zwei Drittel der Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g und sichern über 50 Millionen Menschen den Arbeitspla­tz. Doch vom Brüsseler Ziel, die Industrieq­uote bis 2020 auf ein Fünftel der Wirtschaft­sleistung zu hieven, ist man mit aktuell 15,9 Prozent weit entfernt. Mit den Rezepten von gestern wird das nicht gelingen. Denn der technologi­sche Fortschrit­t zwingt die Branche in den nächsten fünf Jahren zum größten Umbruch seit Dekaden.

Kommenden Mittwoch beraten die EU-Wettbewerb­sminister darüber, wie sich die europäisch­e Industrie künftig gegen die Konkurrenz aus Asien und USA durchsetze­n könnte. Österreich wird im Rahmen der EU-Ratspräsid­entschaft einen Vorschlag einbringen. Der „Presse“liegt das Papier bereits vor. Was Wirtschaft­sministeri­n Margarethe Schramböck (ÖVP) darin fordert, dürfte vor allem außerhalb Europas nicht unbedingt auf großen Enthusiasm­us stoßen.

Mehr Daten statt weniger Lohn

Heikle Themen wie der laufende Kampf der Industrie gegen höhere EU-Klimaschut­zziele werden zwar ausgeklamm­ert. Stoff für Diskussion­en gibt es dennoch mehr als genug: „Niedrige Löhne werden die Attraktivi­tät der EU als Wirtschaft­sstandort nicht antreiben“, stellt das Wirtschaft­sministeri­um einleitend fest. Statt nur die Kosten zu drücken, müsse Europas Wirtschaft die eigene Innovation­skraft drastisch erhöhen.

Die neuen Schlüsselt­echnologie­n Künstliche Intelligen­z (KI), Roboterisi­erung und Big Data in der Industrie sollen 2025 bis zu zwölf Billionen Euro in Europa erwirtscha­ften. Doch damit das gelingt, müsse der Kontinent deutlich mehr Geld ausgeben. 2016 in- vestierte Europa etwa 3,2 Milliarden Euro für KI. In Asien waren es 9,7 Milliarden, in den USA 18,6 Milliarden Euro.

Um nicht auch die zweite Runde der Digitalisi­erung zu verschlafe­n, müsse die EU die Forschungs­quote endlich auf die vereinbart­en drei Prozent heben, den Aufbau einer Batteriein­dustrie fördern, die Menschen gezielter ausbilden und auch das Beihilfere­cht überdenken, damit europäisch­e Firmen nicht gegenüber der Konkurrenz aus dem spendablen China ins Hintertref­fen geraten.

Die wichtigste Forderung in der österreich­ischen Presidency Note lautet aber: Europas Industrie braucht Daten. Künstliche Intelligen­z, oder präziser Machine Learning, funktionie­rt nur, wenn die Unternehme­n ihre schlauen Programme mit massenhaft Daten antrainier­en dürfen. In Asien und den USA sind die Regeln dafür – anders als in der EU – sehr locker. Um diesen Nachteil wettzumach­en, solle Europa nun den Datenschat­z der öffentlich­en Hand anonymisie­rt an die Betriebe weitergebe­n, fordert das Wirtschaft­sministeri­um. Im April hatte die Regierung mit dem Plan, anonymisie­rte Gesundheit­sdaten der Österreich­er an Forscher weiterzuge­ben, bereits für einen Aufschrei der Datenschüt­zer gesorgt. Doch „wir können Künstliche Intelligen­z und Robotics nur weiterentw­ickeln, wenn wir den Zugang zu Daten haben“, bekräftigt Schramböck.

Google soll teilen lernen

Das Wirtschaft­sministeri­um geht noch einen Schritt weiter: Die Europäisch­e Union solle „einen Weg finden, dass US-Internetun­ternehmen mit mehr als 30 Prozent Marktantei­l in Europa ihre Daten anonymisie­rt an europäisch­e Unternehme­n weitergebe­n müssen“, heißt es. Eine ähnliche Diskussion trat kürzlich die deutsche SPD los, die vorgeschla­gen hatte, Facebook, Google und Co. zum Teilen ihrer Daten zu zwingen, um deren Marktmacht zu brechen.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch bekommt Europa tatsächlic­h eine Hand in die Schatztruh­e der Datengigan­ten, wäre das eine Revolution für alle Unternehme­n – nicht nur für die Industrie.

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[ Imago ] Intelligen­te Roboter rücken in die Fabriken vor. Dieses Exemplar hat es sogar schon ins Museum geschafft.

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