Große Töne aus dem digitalen Frühmittelalter
Hoffnungslose Nachzügler träumen von der digitalen Aufholjagd.
Ö sterreich muss in Sachen Digitalisierung an die europäische Spitze“, sagten Vertreter der Regierung und der Mobilfunknetzbetreiber vor ein paar Tagen bei einem Kongress in Wien. Große Worte, die man jetzt öfter hört.
Österreich hinkt in Sachen Breitbandausbau hinterher, die viel gepriesene „Breitband-Milliarde“des Bundes werde viel zu zögerlich ausgenutzt, sagt der Rechnungshof.
Ersteres ist Propaganda, Zweiteres die traurige Realität. Während China, Südkorea, die USA und, ja, Ruanda gerade dabei sind, die ultraschnelle 5G-Mobilfunktechnologie kommerziell verfügbar zu machen, ist in Österreich (und übrigens auch in Deutschland) nicht einmal die aktuelle Vorgängergeneration 4G (LTE) wirklich flächendeckend nutzbar. Da träumt also ein Nachzügler vom Marathonsieg.
Das ist wohlstandsgefährdend: 5G ist die Voraussetzung für das Internet der Dinge: Industrie 4.0, Telemedizin, vernetzte, selbstfahrende Autos, um drei Beispiele zu nennen, setzen das superschnelle Internet voraus. Ein Bremsbefehl, der verspätet eintrifft, führt eben leider zum Crash.
Die Politik scheint das noch nicht mit der nötigen Dringlichkeit zu begreifen. Vor allem in Deutschland, das ja selbst im Vergleich zu Österreich noch in der Digital-Antike steckt. Dort hat soeben der Kanzleramtschef öffentlich verkündet, dass es 5G auf absehbare Zeit wohl nur in Ballungszentren geben werde: Ein Vollausbau sei „unfassbar teuer“, also „nicht realistisch“. Die führende Wirtschaftsnation Europas koppelt sich also von der digitalen Zukunft ab, das Autoland schlechthin wird so wohl auch beim autonomen Fahren zum Nachzügler werden. Mehr muss man über die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten Europas nicht wissen. I m kommenden Frühjahr werden in Österreich und Deutschland erst die 5G-Lizenzen versteigert, während anderswo bereits die ersten Netze online gehen. Vielleicht sollte man dazu doch noch China Mobile und Korea Telecom einladen. Und die zuständigen Politiker zu Digitalseminaren nach China, Korea und eventuell auch Ruanda schicken. Damit sie sehen, wie digitale Zukunft wirklich geht.