Warum ist nicht jeder Wein vegan?
Winzer nutzen u. a. Eiweiße von Hühnern, Fischen, Schweinen oder Rindern, um Wein zu klären – Hilfsstoffe, die wieder herausgefiltert werden.
Den einen freut der Hinweis, den anderen wundert er. Mancher Winzer vermerkt auf seinen Flaschen, dass der Wein „vegan“ist. Was kann in vergorenem Traubensaft vom Tier stammen? „Bei der sogenannten Weinschönung werden mitunter Eiweiße verwendet, die sich mit den Trübstoffen zu größeren Einheiten zusammenballen, diese also adsorbieren“, erklärt Lebensmitteltechnologin Christine Grabler von der Lebensmittelversuchsanstalt LVA. Molekulare Anziehungskräfte wirken, dadurch können die Konglomerate herausgefiltert werden.
Anders als etwa bei naturtrübem Apfelsaft erwarte sich der Konsument bei Wein eine reine Farbe, wenn er einschenkt. Für diese sorge Hühnereiklar genauso wie die Schwimmblase von Fischen oder aus von Schwein oder Rind gewonnene Gelatine, sagt Grabler. Freilich schlägt der Winzer dazu nicht einfach ein Ei nach dem anderen in den Wein. Das sei zwar theoretisch möglich, das Eiweiß werde aber in Pulverform beigemengt. In einer Traube stecken neben anderen Stoffen nämlich auch Polysaccharide (Vielfachzucker), Polypeptide (Aminosäureketten) und Polyphenole (Gerbstoffe). Ändern sich pH-Wert oder Temperatur, bilden sich diese – oft nur wenige Nanometer, also Millionstel Millimeter – kleinen Teilchen, der Rebensaft wird trüb.
Mineralien als Alternative
Eine andere, oft verwendete Methode, um Wein von diesen Stoffen zu befreien, ist, mineralische Materialien wie Bentonit oder auch Kieselgel zu nutzen. Diese adsorbieren Trübstoffe ebenfalls, ziehen sie also an. So geklärt darf der Wein als vegan ausge- wiesen werden. Die Kennzeichnung ist allerdings eher der erhofften Wirkung auf den Markt geschuldet, denn Schönungsmittel gelten nicht als Zutaten. Sie müssen nur ausgewiesen werden, wenn es sich – wie bei Eiweißen – um Allergene handelt. Diese sind aber einerseits nur in sehr geringen Mengen – bei Rotwein zwei Eiklar pro 100 Liter Wein – enthalten. Und sollten andererseits durch das Herausfiltern nicht mehr Teil des Produkts sein. Man schmeckt die tierischen Eiweißstoffe also nicht.
Mit dem Filtern der Trübstoffe verschwinden mitunter auch bittere oder saure Geschmacksnoten. Schlägt man hier also zwei Fliegen mit einer Klappe? Das sei eher zwiespältig, meint Grabler. Denn die sogenannte gute Kellerpraxis sehe vor, dass Wein wenig bearbeitet werde: „Es ist der Stolz des Winzers, Wein möglichst naturbelassen zu produzieren.“Heimische Biere wiederum folgen dem Reinheitsgebot, sie enthalten nur Wasser, Hopfen, Gerste und Hefe. Sie werden meist zentrifugiert, dabei setzen sich die Feststoffe ab, die klare Lösung bleibt. Die Anforderungen seien hier aber anders: „Bestimmte Eiweißstoffe sollen drinnen bleiben, weil sie den Schaum stabil halten“, so Grabler.
In ihrer Forschung untersucht sie, wie sich Lebensmittel auf das Wohlbefinden der Konsumenten auswirken. Kürzlich abgeschlossen wurde die internationale Ernährungsstudie Pathway-27. Darin untersuchten Forscher der LVA gemeinsam mit 26 weiteren Partnern Antioxidantien, Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren und entwickelten Rezepte für damit angereicherte Lebensmittel. Als nächstes sollen diese als Milchshakes, Palatschinken oder Kekse auf den Markt kommen. Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com
„Eiweiße ballen sich mit den Trübstoffen zu größeren Einheiten zusammen.“Christine Grabler, Lebensmitteltechnologin