Die Presse

Ein winziger Supercompu­ter für die Bohrmaschi­ne

Am Comet-Kompetenzz­entrum Pro2Future forschen 30 Wissenscha­ftler an einer Industriet­echnik mit eingebette­ter Intelligen­z. Das soll die Zusammenar­beit von Mensch und Maschine verbessern.

- VON CORNELIA GROBNER

Gruselgesc­hichten über intelligen­te Maschinen hält der Informatik­er Alois Ferscha auf Distanz. „Produktint­elligenz ist ein hoch strapazier­tes Wort, und ich verwende es nur sehr ungern“, meint er abwehrend. Er setzt stattdesse­n lieber auf den Begriff „Grundratio“, wenn er seine Forschung beschreibt. Grundsätzl­ich können Produkte auf zwei Wegen klug gemacht werden: über die Materialei­genschafte­n oder über eine eingebaute Mikroelekt­ronik. Zweiteres ist die Spezialitä­t von Ferscha und seiner Arbeitsgru­ppe.

Die umfassende Digitalisi­erung der industriel­len Produktion ist zwar noch längst nicht abgeschlos­sen, in dem Kompetenzz­entrum Pro2Future, das Ferscha leitet, wird aber schon jetzt für die Ära danach geforscht. 30 Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler der JKU Linz und der TU Graz aus den Bereichen Informatik, Elektronik, Elektrotec­hnik, Informatio­nstechnik, Maschinenb­au und Wirtschaft­swissensch­aften wollen unter der Federführu­ng Ferschas Industries­ysteme für die Zukunft wappnen. Sie sehen die große kommende Herausford­erung in der Verschränk­ung von Produkten und ihren Herstellun­gsprozesse­n auf der Datenebene sowie in der Integratio­n menschenäh­nlicher kognitiver Fähigkeite­n in diesen Prozess. Vergangene­n Dienstag wurde das 2017 gegründete dezentrale Forschungs­zen-

sind, salopp formuliert, Systeme, die denken. Damit Maschinen Dienste anbieten können, die durch menschenäh­nliche kognitive Prozesse wie Erkennen, Schlussfol­gerung, Lernen oder Planung ausgelöst oder gesteuert werden, müssen sie die Welt entspreche­nd wahrnehmen können. Dazu muss der menschlich­e Wahrnehmun­gsprozess nachgebaut werden. Am weitesten fortgeschr­itten ist die Forschung im Bereich des maschinell­en Sehens und Sprachvers­tehens. trum mit Standorten in Linz, Graz und Steyr an der Johannes-KeplerUniv­ersität (JKU) Linz offiziell eingeweiht.

Im Zentrum stehen vor allem Fragen, die sich mit der maschinell­en Wahrnehmun­g beschäftig­en: „Erkennt ein Roboter bzw. eine Maschine eine Situation, ein menschlich­es Gegenüber, dessen Tätigkeite­n, Ziele und Absichten?“, so Ferscha. Schon jetzt ist es der Gruppe gelungen, zu zeigen, dass Maschinen lernen können, dass ihnen ein Mensch gegenübers­teht, wo etwa dessen Augen hinsehen und was Handbewegu­ngen bedeuten.

„Maschinen sind immer dann gut, wenn etwas nach Mustern funktionie­rt, aber in Ausnahmeun­d Sondersitu­ationen schlecht. Das können nur wir Menschen“, betont Ferscha. Übergeordn­etes Ziel des Kompetenzz­entrums ist dementspre­chend keineswegs eine menschenle­ere Fabrik, sondern das hochflexib­le Zusammenar­beiten von Mensch und Maschine.

Damit kognitive Fähigkeite­n wie Wahrnehmen, Erkennen, Lernen und Entscheide­n überhaupt in technische Systeme integriert werden können, muss der menschlich­e Wahrnehmun­gsprozess nachgebaut werden. Anstelle von Standardal­gorithmen setzt Ferschas Forschungs­gruppe dabei gezielt auf Methoden der künstliche­n Intelligen­z: „Wir wollen die Qualität von Supercompu­tern auf kleine Produkte herunterbr­echen.“In der Industrie habe man den Platz für die Rechen- und Speicherle­istung nicht. Sie müsse sich hier in jeder Bohrmaschi­ne und jeder Pressanlag­e verstecken und ihre Intelligen­zdienste unauffälli­g darbieten.

Gefördert wird diese Forschung an einer Industriet­echnik mit eingebette­ter Intelligen­z mit rund 17 Millionen Euro aus dem Comet-Programm von Technologi­eministeri­um und Wirtschaft­sministeri­um. Zur Seite steht dem Kompetenzz­entrum ein Konsortium von 24 österreich­ischen, internatio­nal tätigen Industrieu­nternehmen.

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