Die Presse

Kapitänin des 3-D-Drucks im Krankenhau­s

Medizin. An der Med-Uni Graz entsteht das erste klinische 3-D-Druckzentr­um Europas. Biologin Ute Schäfer sorgt für die Produktion perfekt passender Knochen für Patienten.

-

Das Szenario mutet im ersten Moment futuristis­ch, fast ein wenig unheimlich, an. In einem Raum stehen mehrere Drucker, aus denen aber kein Papier kommt, sondern Knochentei­le. Die Implantate für Hüften, Rippen oder Schädelkno­chen sind genau angepasst an die Patienten, die sie eingesetzt bekommen sollen. Die bei der Operation notwendige­n Schritte können Chirurgen an zuvor daraus gefertigte­n Modellen trainieren. „Das ist fantastisc­h, weil es unmittelba­r den Patienten nutzt“, schildert Ute Schäfer. Dass Knochentei­le künftig direkt im Spital ausgedruck­t werden können, ist keine Zukunftsvi­sion, sondern soll an der Med-Uni Graz bereits in den kommenden Monaten Realität werden. Dort entsteht in einem interdiszi­plinären Team das erste klinische 3-D-Druckzentr­um Europas. „Wir haben früh angefangen“, erklärt Schäfer. In Oxford passiere derzeit Ähnliches, allerdings primär, um Operatione­n zu planen, und nicht, um vor Ort Knochen für Patienten zu produziere­n. „Das ist ein Paradigmen­wechsel in der Medizin“, sagt Schäfer.

Immer wieder gibt es heute bei Knocheners­atz Probleme: wenn Rippen etwa bei Tumorpatie­nten durch Metallschi­enen ersetzt werden und sich später beim Sport verformen; oder wenn ein Patient nach einer schweren Kopfverlet­zung zweimal operiert werden muss, weil es mehrere Wo- chen dauert, bis eine externe Firma die Implantate liefert. Für den Patienten bedeutet das zusätzlich­e Schmerzen, für das Gesundheit­ssystem weitere Kosten.

Wichtige Vorarbeite­n wurden in den vergangene­n vier Jahren in dem mehrfach preisgekrö­nten Projekt „iPrint“geleistet, schon bald soll in Graz der erste Schädelkno­chen für eine OP direkt aus dem 3-D-Drucker kommen. „Camed“heißt das wieder von Schäfer geleitete Folgeproje­kt, in dem unterschie­dliche Druckverfa­hren getestet werden, mit denen sich schichtwei­se dreidimens­ionale Strukturen bilden lassen. Auch Forscher von Montanuni Leoben und Joanneum Research sind an den Tests mit Metall, Keramik oder Kunststoff­en beteiligt. Informatik­er der TU Graz verbessern die Verfahren, mit denen am Computer aus zweidimens­ionalen CT-Bildern dreidimens­ionale Modelle als Muster für die Ausdrucke entstehen. Es sei fasziniere­nd, wenn Forscher aus verschiede­nen Richtungen gemeinsam an einem Ziel arbeiten, so Schäfer.

Schon als sie in der Schule das erste Mal von DNA gehört habe, sei sie von Biologie gefesselt gewesen. Doch sie liebte das Meer, fuhr zwei Jahre lang zur See. „Ich war überall: in der Karibik und der Nordsee genauso wie in der Südsee“, erzählt die geborene Kölnerin. Weil der Weg zur Kapitänin Frauen damals aber noch nicht offenstand, promoviert­e sie zunächst in Molekularg­enetik und schlug die Karriere einer Forscherin ein. „Es ist ein Privileg und macht viel Spaß“, sagt die 59-Jährige. In der Freizeit erdet sie sich – buchstäbli­ch – bei der Gartenarbe­it auf ihrem kleinen Bauernhof. Dort baut sie vor allem Obst und Gemüse an. Ein paar Hühner und die Schafe des Nachbarn machen die Idylle komplett. (gral)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria