Wo geht’s da zum Lymphknoten?
Erforscht, wie die Wächterzellen des menschlichen Immunsystems beim Eindringen von Krankheitserregern Alarm schlagen.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Ganz so einfach funktioniert das menschliche Immunsystem nun doch nicht. Um gegen jeden Krankheitserreger genau den richtigen Kampftrupp zu mobilisieren, müssen unterschiedliche Immunzellen in höchst komplizierten Abläufen zusammenspielen. Damit die „Einsatzkräfte“auch an den entlegensten Stellen des Körpers blitzschnell in Aktion treten können. „Das sind die sogenannten T-Zellen“, erklärt Alexander Leithner. „Die für den jeweiligen Feind passenden vervielfältigen sich und gehen gegen ihn vor.“Der 30-jährige Wiener ist Zellbiologe. Am Institute of Science and Technology (IST) Austria befasst er sich mit dem ausgeklügelten Mechanismus, der die T-Zellen auf den Plan ruft. „Dafür sorgen die dendritischen Zellen“, sagt er. „Im körpereigenen Immunsystem sind sie die Wächter.“Kein Eindringling kommt an ihnen vorbei. Doch wie schaffen sie es, sich durch die Lymphbahnen auf die T-Zellen zuzubewegen und sie zu aktivieren? Sich auf diesem Weg zu orientieren? Schnell genug zu sein?
„Dendritische Zellen bilden Füßchen an ihrer Vorderseite“, so Leithner. Und zwar die fingerförmigen Filopodien und die flachen, breiten Lamellipodien, die unter dem Elektronenmikroskop ein wenig an Salatblätter erinnern. „Wir haben herausgefunden, dass Zweitere für die Fortbewegung nicht unbedingt nötig sind. Doch die Zellen können ohne sie schlechter navigieren und sind dadurch weniger effektiv darin, im Lymphknoten Alarm zu schlagen.“Dieser ist nämlich die Informationszentrale. Da müssen sie hin, nachdem sie sich den Schädling zunächst kurzerhand einverleibt haben.
Wie ein Fahndungsfoto präsentieren sie hier den T-Zellen einen Teil der gefressenen Eiweißbruchstücke des Erregers an ihrer Oberfläche. „Es ist eine enorm spannende Frage, wie sich ein derart komplexer, vielzelliger Körper wie der menschliche gegen innere und äußere Bedrohungen wehren kann“, sagt Leithner. Und natürlich könne ein besseres Verständnis des Immunsystems effektivere Behandlungsmethoden für viele Krankheiten mit sich bringen. „Im Labor merkt man allerdings fast nie etwas von die- sem Aspekt.“Im Nachhinein sehe man jedoch an der Entstehungsgeschichte von Medikamenten, „dass am Anfang immer die Grundlagenforschung stand“. Dieser widmet sich Leithner mit Leib und Seele. „Grundlagenforschung gibt mir das Gefühl, ein Stück weit an etwas ,Wahrem‘ zu arbeiten, das unabhängig von der Menschheit existiert.“Zugleich entdecke man Dinge, „die vorher noch niemand erkannt hat“.
Leithner hat an der Uni Wien Mikrobiologie, Genetik und Entwicklungsbiologie studiert und fand schnell heraus, dass ihm die Laborarbeit liegt. Ein Forschungsaufenthalt in den USA bestärkte ihn in dem Wunsch, das Doktorat zu machen. „Das Erlernte in einem internationalen Umfeld anwenden zu können hat mein Vertrauen in meine Fähigkeiten gefestigt.“Das IST Austria, wo er im April promoviert hat, habe ihm viele Perspektiven eröffnet: „Hier habe ich neue Labortechniken und Denkweisen kennengelernt und genieße den Austausch mit Wissenschaftlern aus aller Welt.“
Neuerdings hat er einen weiteren Pluspunkt für sich entdeckt: die Kinderbetreuung direkt auf dem Campus. „Gäbe es diese nicht, müssten entweder meine Frau oder ich die Wissenschaftskarriere aufgeben.“Seine Frau ist Doktorandin am IST Austria. Wenn Leithner im November nach der Väterkarenz ins Labor zurückkehrt, wird er seine dann einjährige Tochter hier gut untergebracht wissen und ein Projekt zu den Kommunikationswegen zwischen den dendritischen Zellen und den T-Zellen wiederaufnehmen. „Die Informationsweitergabe erfolgt durch Berührung, doch die Details sind noch nicht ganz klar.“
Teil eines Wissenschaftlerpaars zu sein habe den Vorteil, dass der andere die oft anstrengenden Rahmenbedingungen gut kenne. „Andererseits erfordert es ein hohes Maß an Koordination.“Die Karenz möchte Leithner, der gern wandert und sich für Geschichte interessiert, keinesfalls missen. „Es ist einfach wundervoll, ein kleines Wesen beim Erkunden der Welt zu begleiten.“
(30) studierte Biologie an der Universität Wien. Nach dem Bachelor in Genetik und Mikrobiologie schloss er 2012 den Master in Genetik und Entwicklungsbiologie ab. Für die Dissertation wechselte er ans IST Austria in Klosterneuburg. Im April promovierte er und ging danach in Väterkarenz. Ab November wird er dort als Postdoc weiter an den Kommunikationswegen der dendritischen Zellen im Immunsystem forschen.