Sodom, Seen, harte Lehnen
„Expedition Europa“in Schweden: der Homophobe von Berga.
Obwohl ich nicht weiß, ob er noch lebt, will ich von A˚ke Green erzählen. Der Pastor der Pfingstbewegung, der heuer 77 Jahre alt wäre, testete im Juli 2003 das neue schwedische Gesetz gegen Hassrede: Er predigte in Borgholm auf der Insel Öland gegen gelebte Homosexualität, die er als „tiefen Krebstumor in der Gesellschaft“bezeichnete. Das Bezirksgericht verurteilte ihn 2004 zu einem Monat Haft. Er war zwar nach schwedischem Recht schuldig, da jedoch das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof kaum gehalten hätte, sprach ihn das Höchstgericht lieber frei.
A˚ke Green wurde eine Zeitlang in christlich-konservativen Kreisen herumgereicht, nach 2008 verlor sich seine Spur. Vergangenen Winter ging ich ihn suchen. Dank schwedischer Transparenz fand ich im Web ein Landhaus mit 1093 Quadratmetern Grund auf seinen Namen, die Telefonnummer war aber tot. Seine Pfingstkirche schwieg zu meinen Anfragen, die lutherische Staatskirche jenes Dorfes, Berga, auch.
Ich fuhr aufs Geratewohl los, dreieinhalb Stunden von Stockholm. Im Süden eine Idylle freundlich gestrichener Holzhäuser. Alle mit Seeblick, Schweden hat doppelt so viele Seen wie Finnland. Im Zug las ich Greens sehr lange Predigt von 2003. In ihr waren so ziemlich alle Bibelstellen versammelt, die gleichgeschlechtlichen Sex verurteilen. Nichts Eindeutiges von Christus, viel Altes Testament, viel Sodom. Diese Predigt war ohne jeden Zweifel homophob. Green behauptete sogar, dass sich Homosexuelle ihre Orientierung aussuchen würden und dass sie „Tiere vergewaltigen werden“. Wer so lebe, könne kein Christ sein.
Berga war ein großes, nüchternes Dorf. Unten, am verschilften Dorfteich, lag A˚ke Greens weißes Landhaus. Ich läutete mehrmals. Dann stand er vor mir. Ein Riese, weißes Haar, dicke Gläser, tiefer Bass. Er sprach kein Englisch und schlug die Tür wieder zu.
Gezügelte Leidenschaften
Das war’s. Die teure Fahrt für nichts. 15 Uhr, es dämmerte schon. Die polnischen, kenianischen, vietnamesischen Nachbarn nicht zu sehen, eine verwahrloste Alte, die nur Schwedisch sprach. Der syrische Nachbar, Vater von neun Kindern, rettete mich. Er holte Evert, 81, herbei. Evert hatte im Scania-Werk Lkws lackiert und sprach gebrochen Englisch. Als der fröhliche Senior „zum Dolmetschen“mit mir anrückte, ließ uns der strenge Pastor ein.
Verteilt über das Erdgeschoß, sah ich drei massive Esstische, Stühle mit hohen und harten Lehnen. Kein Sofa, kein Fauteuil. Sieben hängende Teller, kaum christliche Kunst, kleine Landschaftsmalereien ohne Ereignis. Gezügelte Leidenschaften. Aus der Abstinenzbewegung IOGT-NTO geflogen zu sein musste ihn 2008 besonders geschmerzt haben. Ich fragte ihn, ob er noch so denke wie in seiner berühmten Predigt. Unverwandt geradeaus schauend, antwortete er: „Ja, ja, ja.“Er hatte 2003 prophezeit, dass die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen „unvergleichliche Katastrophen“wie Aids hervorrufen würde, und hatte vor Erdbeben oder Monsunregen mit Tausenden Toten gewarnt. „Können Sie mir eine Katastrophe nennen, die seither eingetreten ist?“– „Es gibt davon mehr und mehr.“Genauer wurde er nicht.
Er hatte in Äthiopien ein Seminar für 125 Priesterseminaristen gehalten: „In Äthiopien wollen die Priester nicht einmal über das Thema sprechen. Sie sagen, es ist falsch.“Nun unternimmt er noch drei Mal im Jahr eine kleine Predigtreise durch Norwegen. In Schweden predigt er nur noch einmal im Monat, in einem anderen Dorf. „Fühlen Sie sich fremd in Schweden?“– „Nein.“Damit ich ihm schriftliche Fragen stellen konnte schrieb er mir seine