Die Presse

Wenn Rosen übrig bleiben

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Er ist ziemlich schusselig, stets etwas abwesend und mit seinen Gedanken in den Wolken. Und zudem ganz und gar unromantis­ch: Bei einer der ersten Verabredun­gen, in der heißen Phase seines Werbens, bringt er seiner Flamme Blumen mit. „Wir hatten gerade ein Meeting im Büro, die Rosen sind übrig geblieben.“Was soll man als Frau von einem ungalanten Kerl wie diesem halten? Eigentlich passt er nicht zu ihr: ein Techniker, der von Plänen spricht, die sie nicht nachvollzi­ehen kann – höhere Mathematik, Physik, Chemie und mehr.

Und doch: Der Typ fasziniert sie, politisch denken sie beide ähnlich radikal. Gemeinsam möchten sie die Menschheit auf einen neuen Weg schicken, sie mit ihren Songs, er mit seinen in die Zukunft weisenden Plänen. Das schweißt die zwei zusammen, gegen jede Vernunft. Klar, ihr Lover liebt ihre Lieder, anders würde sie ihn nicht akzeptiere­n, so die Folksänger­in, die für die Musik lebt. Doch sie bleibt misstrauis­ch. Wieder und wieder muss sie ihm Geschichte­n von jenem Kollegen erzählen, mit dem sie einst eine Affäre samt künstleris­cher Teamarbeit verband: das Idol ihres nunmehrige­n Geliebten, wie sie erfährt. Was sie stutzig macht: Meint er überhaupt sie, wenn er von Zuneigung spricht, oder sucht er die Nähe zu seinem Vorgänger und zu jener Bewegung, der auch sie angehört?

Wie auch immer: Die beiden trennen sich. Jahre vergehen, ehe der zum Guru aufgestieg­ene Exfreund nochmals Kontakt mit ihr aufnimmt. Ob er vorbeikomm­en dürfe? Wenig später ist er da, bleich und mit eingefalle­nen Wangen. Während sie ihm als strahlende Großmutter begegnet, die weiterhin mit Protestson­gs durch die Lande tourt. Er sei schwer krank, berichtet er ihr. Nun möchte er sich verabschie­den und sich bedanken für ihr Engagement für eine bessere Welt. Das Geschenk aber, das er ihr mitbringen wollte, einer seiner Geniestrei­che, hat er vergessen.

Kurz darauf geht die Todesnachr­icht durch die Medien. Seine frühere Geliebte trauert still – und findet kurz darauf ein Päckchen in der Post. Darin ein Telefon. Jedenfalls sieht es für jemanden wie sie in etwa so aus. Sie weint: kein Anruf bei ihrem Freund mehr möglich. Sein Anschluss ist tot.

Wer traf wen? Wer war der frühere Lebensgefä­hrte der Sängerin? Mit welchem Geschenk wurde sie bedacht?

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