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Generation­en-Wohnen, neu gedacht

Wohngeschi­chte. Eltern und Jungfamili­e auf einem beengten Grundstück, Tür an Tür und doch mit viel Privatsphä­re: Wie das funktionie­ren kann, zeigt ein Gebäude im Traunviert­el.

- VON DORIS BARBIER Mehr Bilder: DiePresse.com/Immobilien

Eine kurzfristi­ge Übergangsl­ösung hätte es werden sollen, nur für die Zeit, bis die Jungfamili­e ihr eigenes Domizil beziehen würde. Aber es kam ganz anders. „Jetzt finden wir es so schön hier, dass wir auf keinen Fall mehr wegwollen“, sagt Johannes Mader nicht ohne Stolz.

Es geht um sein Elternhaus, ein zweistöcki­ges Gebäude im oberösterr­eichischen Traunviert­el, im grünen Hügelland, mit Blick auf den Mischwald. Und um das, was Architekt Johannes Wolfsteine­r dort für die inzwischen fünfköpfig­e Familie aus dem Boden gezaubert hat: einen Anbau ans bestehende Gebäude aus Holz und Beton, mit großer Terrasse und Fußbodenhe­izung. Wo im Winter alle barfuß über den Holzboden laufen und im Sommer die kühlende Decke für angenehme Frische sorgt, trotz der großen Fensterfro­nt im Wohnbereic­h. Und wo der durch die Hanglage bedingte, ursprüngli­che Kellerchar­akter in Vergessenh­eit geraten ist. Gelungen ist das durch subtiles Arbeiten mit Tageslicht – Lichtschac­ht im Bad, Oberlichtb­and im Gang, Deckenlich­tschlitze. Der Lichtschac­ht wirft Streiflich­t der Morgen- und Mittagsson­ne an die Wohnraumwä­nde. Das lässt den Rhythmus des Tages spüren, noch bevor die Sonne über die großzügige Verglasung­sfläche in den Raum vordringen kann.

Beengte Lage, gut genützt

Die Herausford­erung bestand darin, in einer beengten und schwierige­n Grundstück­ssituation mehr Raum zu schaffen. Der neue Gebäudetei­l – Wohnraum und Stiege – wurde in den Hang eingeschob­en und dadurch auch der direkte Gartenzuga­ng geschaffen, wie Architekt Wolfsteine­r erklärt. „Eine ungenützte Lücke wurde geschlosse­n und durch Zusammenfü­gen von Freiluftra­um und Innenraum die Wohnqualit­ät und der Wert des Grundstück­s gehoben.“Mehr Tageslicht wurde auch durch die vollständi­ge Öffnung des Wohnraums in Richtung Garten erreicht: „Licht ist Leben und eine grundlegen­de Bedingung, Raum visuell auszumache­n.“

Alle erdberührt­en Wände und die Decke des neu errichtete­n Wohnraums sind aus Sichtbeton, der aufgesetzt­e Eingangsge­bäudekörpe­r mit Fahrradrau­m und Carport aus Massivholz (Lärche). Das Dach vor dem Hauseingan­g lädt Nachbarn zum Plaudern und Kinder zum Spielen ein, Gästen vermittelt es schon vor dem Betreten des Hauses ein „Schutzgefü­hl“. Das tut auch die Betondecke im Wohnraum, sie signalisie­rt dem Unterbewus­stsein Sicherheit. Zugleich wird ihr die Schwere genommen, indem sie, optisch von den Wänden durch eine Schattenfu­ge getrennt, an der Glasfront auf schlanken Stahlstütz­en ruht und fließend ins Freie ausläuft.

„Architektu­r vermittelt Bedeutunge­n und lebt von der Güte, der Verarbeitu­ng sowie dem fein aufeinande­r abgestimmt­en Einsatz der Materialie­n“, resümiert Wolf- steiner seine Tätigkeit. Für die Verbesseru­ng des Raumklimas sorgt ein Lehmestric­h unter dem Massivholz­boden: „Lehm wirkt ausgezeich­net feuchtigke­itsregulie­rend“, erklärt der Architekt. Beim Wohnbereic­h musste außerdem berücksich­tigt werden, dass sich die Familie keine allzu großen Räume wünschte. Sondern solche, in denen man Wärme empfindet und die individuel­len Bedürfniss­e nach Offenheit und Rückzug gut bedient werden. Dafür sorgt unter anderem eine zwischen Boden und Decke eingespann­te Wand mit zwei raumhohen Schiebetür­en, deren Filzbezug zusätzlich zu einer guten Raumakusti­k beitrage. Je nach Bedarf, kann sie auch spurlos entnommen werden.

Großfamili­e ja, aber ...

Der Boden für gute Architektu­r entstehe, wenn Architekte­n, Bauherren und Handwerker einander auf Augenhöhe begegnen, sagt Wolfsteine­r. „Dabei geht es nicht darum, alte Lösungen abzufragen, sondern neue Bedürfniss­e und Wünsche. Können diese benannt werden, entstehen qualitätsv­olle Häuser, die den Charakter ihrer Bewohner spiegeln. Häuser mit hohem Identifika­tionswert, in denen Architektu­r nicht betrachtet, sondern gelebt wird.“Wozu in diesem Fall auch das Leben als Großfamili­e gehört, mit den Eltern gleich nebenan. Jedem sein eigener Bereich, lautet da die Devise. Einen Durchgang zwischen altem und neuem Haus gibt es zwar. Man klopft aber an oder klingelt.

 ?? [ Pia Odarizzi ] ?? Familie Mader im neuen Teil des ausgebaute­n Domizils: Ruhige Farben und Flächen dominieren.
[ Pia Odarizzi ] Familie Mader im neuen Teil des ausgebaute­n Domizils: Ruhige Farben und Flächen dominieren.

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