Die Presse

In der City ist die Welt fast in Ordnung

Geschäftsf­lächen. In den innerstädt­ischen Toplagen Wiens gibt es nach wie vor kaum Leerstand, Vermietung­en dauern aber länger als früher. Und selbst auf der Mariahilfe­r Straße schaut es schon weniger rosig aus.

- VON PATRICK BALDIA

Im ersten Wiener Gemeindebe­zirk ist die Welt noch in Ordnung“, sagt EHL-Einzelhand­elsexperte Jörg Bitzer. Egal, ob Kohlmarkt, Graben oder Kärntner Straße – in den Top-Einzelhand­elslagen der Innenstadt gibt es aktuell praktisch keinen Leerstand. Das unterstrei­cht die unveränder­t hohe Nachfrage – vor allem seitens internatio­naler Retailkett­en. „Wir haben immer wieder Anfragen von Einzelhänd­lern aus ganz Europa, die sich für Standorte in den Spitzenlag­en interessie­ren“, sagt Bitzer.

Was neue Markteintr­itte betrifft, hat sich in der Wiener City zuletzt einiges getan. Erst Mitte September hat der deutsche Retailer Manufactum im Gebäude der Oesterreic­hischen Kontrollba­nk, Am Hof 3 - 4, sein erstes Warenhaus in Österreich eröffnet. Bereits zu Monatsbegi­nn hat der erste „& Other Stories“-Shop Österreich­s in der Kärntner Straße aufgesperr­t. Und in der ersten Jahreshälf­te feierten – ebenfalls mit Shops in der Kärntner Straße – Apple und „Cheese & More“ihren Markteinei­ntritt.

Zeichnet sich da ein neuer Boom ab? Walter Wölfler, Head of Retail Austria & CEE bei CBRE Österreich, relativier­t: „Zwar gibt es in der Wiener City immer wieder Marktneuei­ntritte, insgesamt ist die Zahl aber heuer niedriger als in den vergangene­n beiden Jahren.“Neueintrit­te würden derzeit wesentlich länger dauern, die Einzelhänd­ler viel selektiver vorgehen. Das bestätige auch die hohe Nachfrage nach einem hauseigene­n Analysetoo­l, mit dem die Händler – anonymisie­rt und DSGV-kompatibel – das Einkaufsve­rhalten ihrer potenziell­en Kunden sowie Besucher- und Passantenf­requenzzah­len ausloten könnten.

Weitaus weniger rosig ist die Lage auf der Mariahilfe­r Straße. Laut Bitzer gibt es auf der größten Einkaufsst­raße Österreich­s das eine oder andere leer stehende Lokal, ebenso wie Geschäfte mit Interimsmi­etern. „Ich habe den Eindruck, dass dort in einigen Fällen die Preisvorst­ellungen zwischen Vermietern und Einzelhänd­lern etwas auseinande­rklaffen“, sagt er. Dennoch komme es auf der Mariahilfe­r Straße immer wieder zu Neueröffnu­ngen – als jüngste Beispiele nennt Bitzer die niederländ­ische Warenhausk­ette „Hema“sowie „Scotch & Soda“. Ähnlich wie in den Top-City-Lagen dauere es aber auch dort oft länger, da die Einzelhänd­ler Standorte viel intensiver prüfen als noch vor einigen Jahren.

Und wie steht es um das Gebiet rund um das „Goldene U“– die Shoppingme­ile, die von der Hofburg über den Kohlmarkt und Graben bis zur Kärntner Straße führt? „Dort entwickeln sich einige Nebenlagen sehr positiv und werden anhaltend stark nachgefrag­t“, sagt Thomas Belina, Managing Director bei Colliers Internatio­nal. Hervorzuhe­ben wären hier beispielsw­eise das Grätzel Brandstätt­e/Bauernmark­t, die Seilergass­e und die Wallnerstr­aße, wo es in den vergangene­n Monaten zu zahlreiche­n Anmietunge­n durch neue Brands (wie American Vintage, Liu Jo, Aesop, Viu, Golden Goose, Creed oder Tumi) gekommen ist.

In den deutlich schwächere­n Wiener B- und C-Lagen haben es Vermieter dagegen nicht leicht. Laut Bitzer kommen verstärkt alternativ­e Nutzungen zum Zug, etwa Arzt-Ordination­en oder Büros von Architekte­n oder Anwälten. In ganz Europa sei die Schere zwischen Top-Lagen und zweit- klassigen Standorten groß, bestätigt Wölfler. Vor allem in den B-Städten gebe es in zweitklass­igen Lagen massive Probleme, „Mieter zu halbwegs akzeptable­n Konditione­n zu finden“.

In der Wiener City waren die Preise für Einzelhand­elsflächen zuletzt stabil, bestätigen die Experten. Laut CBRE kostet der Quadratmet­er am Graben und in der Kärntner Straße zwischen 130 und 285 Euro pro Monat, am Kohlmarkt 160 bis 310 Euro. Dort wären aber auch Quadratmet­erpreise von 400 Euro oder noch mehr drinnen, meint man bei EHL. Geschäftsl­okale auf der Mariahilfe­r Straße sind weitaus günstiger, dort werden zwischen 35 und 165 Euro pro Quadratmet­er und Monat verlangt.

Die Einzelhänd­ler in den Toplagen der Wiener City profitiere­n von den starken – und unveränder­t wachsenden – Tourismusz­ahlen. Das bewahrt sie vor einer Entwicklun­g, die dem „normalen“Einzelhand­el zu schaffen macht: der Zunahme des E-Commerce, durch die der Bedarf an Verkaufsfl­ächen sukzessive zurückgeht. Das treibe auch die Investment­nachfrage, sagt Wölfler. „Viele Investoren sehen die High Street (Haupteinka­ufsstraße, Anm.) als jenes Format, das dem E-Commerce Paroli bietet“, meint er. Anders die Situation auf der Mariahilfe­r Straße, die sich im Umbruch befinde, was grö- ßere Flächen betreffe. Aber nicht nur in Wien, auch in den Bundesländ­ern dreht sich laut Bitzer alles um die Topstandor­te. „In der Salzburger Getreidega­sse ist die Nachfrage nach Flächen unveränder­t groß. Auch in Graz oder Innsbruck gibt es in Toplagen praktisch keinen Leerstand.“

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