Die Presse

Küss’ die Hand, gnä’ Frau

Benimmrege­ln. Er hat es wieder getan. Thomas Schäfer-Elmayer hat den „Elmayer“, das ikonische Benimmbuch der Österreich­er, wieder einmal entstaubt und behutsam ergänzt.

- VON ANDREA LEHKY

Man denkt, mit einiger Lebenserfa­hrung weiß man schon alles. Wer zuerst durch eine Tür geht (die Dame, wenn die Tür nach innen aufgeht, der Herr, wenn sie nach außen aufgeht, und immer hält der Herr der Dame die Tür auf ), welches Besteck man zuerst nimmt (von außen nach innen, seit „Titanic“allseits bekannt), wie viel Trinkgeld man gibt (hierzuland­e zehn Prozent, wenn alles gepasst hat).

Und dann kommt wieder einmal ein neuer „Elmayer“heraus und man versinkt in den Seiten, so wie damals als ahnungslos­er Tanzschul-Grundkurss­chüler. Der „Elmayer“, das ist das ikonische Benimmbuch der Österreich­er. Jede Ära hat ihre eigene Version, geschriebe­n von einer anderen Generation der Tanzschulf­amilie. Grau und retro die 1950er („Gutes Benehmen wieder gefragt“von Großvater Willy Elmayer); altmodisch und rosa, an Manner-Schnitten erinnernd die 1970er (von Nora und Diether Schäfer-Elmayer); streng und dunkelblau die 1990er (bereits verfasst vom heutigen Direktor, Thomas Schäfer-Elmayer) und nun „Der große Elmayer: Alles, was Sie über gutes Benehmen wissen sollten“.

Dieser ist nun dezent teerosenfa­rben mit einer einladend lächelnden Illustrati­on des perfekt befrackten Autors auf dem Cover. 500 Seiten gute Manieren, alphabetis­ch geordnet nach Lebenssitu­ationen, eingeleite­t von den 21 Säulen der europäisch­en (warum nur europäisch­en?) Umgangsfor­men, von Achtsamkei­t bis Wertschätz­ung. Bekannte Benimmrege­ln wurden, wo nötig, behutsam entstaubt, neue eingefügt.

Jeder findet sich irgendwo wieder, der notorische Fettnäpfch­entreter genauso wie sein brüskierte­s Opfer. Rucksacktr­äger, steht da, mögen dieses Accessoire in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln bitte abnehmen. „Es tut nämlich weh, wenn Sie sich jäh damit umdrehen und einem anderen Menschen mit dem vollbepack­ten Ding auf Ihrem Rücken eines auf die Nase geben.“

Da ist er wieder, der unvergleic­hliche Elmayer-Stil. Kein strafender Blick, kein erhobener Zeigefinge­r, nur die einfühlsam­e Beschreibu­ng, dass man jemandem wehtun könne. Nicht nur im physischen, auch im übertragen­en Sinn. In jeder Zeile schimmert das Grundgehei­mnis guten Benehmens durch: Gib deinem Gegenüber ein gutes Gefühl, wer immer es auch ist. Sei aufmerksam, umsichtig und bedacht. Und die Welt wird ein kleines bisschen besser.

Auf der Suche nach Karriere-Benimmrege­ln liest man viel Altbekannt­es. Zum Thema Bewerbung etwa, die sehr traditione­ll abgehandel­t wird: „Hobbys (anzugeben) ist dann sinnvoll, wenn Fähigkeite­n vermittelt werden, die den Anforderun­gen des Stellenang­ebots entspreche­n.“Na klar. Doch neben den Selbstvers­tändlichke­iten findet sich immer wie- der Unerwartet­es. Hier eine Situation, die oft zu nervösen Zusammenst­ößen führt: „Bittet man mich, durch eine Türe zu gehen, gehe ich durch, ohne lang zu diskutiere­n, wer zuerst gehen sollte.“Und bitte, niemals den Recruiter fragen: „Wie ist der Chef denn so?“Das kommt nicht gut an. Ein freundlich­es „Wie verbleiben wir denn jetzt?“hingegen gefällt.

Wir lernen, dass die alten Regeln für Herrenbekl­eidung noch immer gelten: „Je später der Tag, desto dunkler die Farben“und „No brown after six“. Nur die Socken, „eine der letzten Bastionen männlicher Originalit­ät“, dürfen kreativ sein – wenn es denn geschmackv­oll ist. „Black Tie“auf einer Einla- dung meint den Smoking, „White Tie“den Frack. Dieser ist auf Wiener Hofburgbäl­len selbst dann zu empfehlen, wenn er nicht vorgeschri­eben ist.

Damen haben es da schon schwerer. Die elegante Frau trägt niemals Spagettitr­äger, schulterfr­ei, ärmellos, Miniröcke, Flipflops oder bauchfrei. Dafür immer Strümpfe, Sommer wie Winter. In einem Sommer wie diesem macht sogar Schäfer-Elmayer eine Ausnahme: Ab 30 Grad ist unbestrump­ft erlaubt. Ansonsten gilt der Dresscode des Betriebs. Bloß: Besser angezogen zu sein als der/ die Vorgesetzt­e, das geht gar nicht.

Endlich haben wir nun auch eine vollständi­ge Liste, wie welcher Würdenträg­er anzusprech­en ist. Ein Botschafte­r mit „Your Excellency“, ein Rektor mit „Eure Magnifizen­z“, ein Dekan mit „Eure Spektabili­tät“, ein Richter mit „Herr Rat“. Und die Queen mit „Your Majesty“und ab dann mit „Ma’am“. Weil man nie weiß, wann man es braucht.

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[ Official White House Photo by Andrea Hanks ]
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