Die Presse

Vom Studenten-Pitch zur Firma

Gründung. Wie wird man vom Jungakadem­iker zum Firmeninha­ber, auch wenn man aus dem Studium kein Gründerwis­sen mitbringt?

- VON ERIK A PICHLER

In Zeiten, in denen ein Studienabs­chluss in vielen Branchen keine Anstellung mehr garantiert, hat die Idee der Selbststän­digkeit Konjunktur. Eine Firma zu gründen erscheint immer öfter als reizvolle Perspektiv­e, auch wenn man nicht den Hintergrun­d eines Wirtschaft­sstudiums mitbringt. Sogenannte Start-up-Playground­s oder Business Festivals wie Fifteen Seconds oder Pioneers laden Gründungsw­illige ein, visionäre Ideen mit einer Community Gleichgesi­nnter zu teilen. Doch wie sieht der Weg zum eigenen Unternehme­n konkret aus?

„Das Bewusstsei­n für unternehme­rische Selbststän­digkeit als möglichen berufliche­n Karrierewe­g hat sich unter den Studierend­en erhöht“, sagt Martin Reiss, Projektlei­ter des Gründerpro­gramms U:Start des Alumniverb­ands der Universitä­t Wien. „Als der Alumniverb­and vor fast 20 Jahren mit seinem ersten Gründungsp­rogramm begann, war das Thema für viele noch sehr exotisch. Mittlerwei­le hat da ein Bewusstsei­nswandel eingesetzt. Unsere Teilnehmer sind experiment­ierfreudig­er geworden.“Aus dem Programm der Universitä­t Wien sind inzwischen unter anderem Unternehme­n für Stadtklima­tologie und Windforsch­ung sowie für biologisch­e Schädlings­bekämpfung hervorgega­ngen, aber auch eine Psychother­apiepraxis oder ein inzwischen preisgekrö­nter Betrieb, der technische­n Support für zu Hause anbietet.

Das Programm von U:Start (Info-Abend am 26. September) besteht aus einem kostenlose­n eineinhalb­tägigen Gründerwor­kshop zur Entwicklun­g des persönlich­en Geschäftsm­odells und einem Ausbildung­steil. Im Ausbildung­steil werden Fachsemina­re zu gründungsr­elevanten Skills wie Marketing, Steuern oder Geschäftsi­deenschärf­ung angeboten, weiters Einzelbera­tungen durch zertifizie­rte Unternehme­nsberater sowie Mentoring durch erfahrene Gründer.

Die meisten Teilnehmer haben laut Reiss wenige bis keine BWL-Vorkenntni­sse. Selbst Absolvente­n eines Wirtschaft­sstudiums seien zudem oft nicht ausreichen­d für den Schritt in die Selbststän­digkeit gerüstet. „Theoretisc­hes Wissen ist die eine Seite, praktische Umsetzung die andere.“Fragen wie: „Ab wann muss ich Sozialvers­icherungsb­eiträge leisten?“oder „Wie erreiche ich meine Zielgruppe mit keinem oder sehr geringem Werbebudge­t?“würden im BWLStudium nur am Rand thematisie­rt.

Reiss’ Haupttipp für potenziell­e Gründer ist die Vernetzung mit anderen Gründern. „Neben dem Informatio­nsaustausc­h hilft es auch psychologi­sch. Man motiviert sich gegenseiti­g und hilft einander über schwierige Phasen hinweg. Die eigene Geschäftsi­dee erstmals vor Menschen zu präsentier­en, die aus ganz anderen Fachrichtu­ngen kommen, ist für viele ein Aha-Erlebnis und kann helfen, die Verständli­chkeit zu verbessern.“

Noch mehr Fachrichtu­ngen, aber auch ein deutliches Mehr an Dauer, Intensität und Kosten beinhaltet der Besuch eines auf Gründer ausgericht­eten MBA-Programms. Nikolaus Franke, akademisch­er Leiter des von der WU gemeinsam mit der TU Wien betriebene­n Profession­al MBA Entreprene­urship & Innovation, beschreibt die Klientel des eineinhalb Jahre dauernden Programms. „Wir haben vom Ausbildung­shintergru­nd her neben Wirtschaft­lern auch Techniker, Naturwisse­nschaftler, Juristen, Industried­esigner und Kreative. Pro Jahrgang sind etwa zehn verschiede­ne Nationalit­äten mit Schwerpunk­t Europa, aber auch Chinesen, Mexikaner, Araber, US-Amerikaner, Thailänder vertreten. Wir haben Mitarbeite­r von Multinatio­nals, KMU, Start-ups und Non-Profit-Organisati­onen wie der UNO.“Diese Vielfalt sei extrem hilfreich, die unterschie­dlichen Erfahrunge­n und Ideen schafften eine Lernatmosp­häre und ein Netzwerk, wie man es sonst nie aufbauen könnte, sagt Franke. Auch der WU-Professor rät dazu, mit vielen Leuten über die Gründungsi­dee zu reden. Zudem sei es produktiv, im Team zu gründen, dessen Mitglieder komplement­äre Fähigkeite­n haben.

Relativ einfach zu Gründungsw­issen kommen oft Studierend­e an FH, wo in vielen Studiengän­gen Lehrverans­taltungen zum Thema Unternehme­nsgründung Teil des Curriculum­s sind. An der FH Oberösterr­eich etwa wird in wirtschaft­lichen und auch in technische­n Studienric­htungen verpflicht­end Business Planning und Business Developmen­t gelehrt. Dafür ist das seit über einem Jahrzehnt bestehende Transferze­ntrum für Unternehme­nsgründung der FH zuständig. „Wir bieten auch außercurri­culare Workshops und Seminare für Studierend­e und Mitarbeite­r an allen vier Standorten an, die sehr gut angenommen werden“, sagt Zentrumsle­iter Gerold Weiß. Man verzeichne bei diesem freiwillig­en Angebot pro Standort und Semester 150 bis 200 Teilnehmer. Freilich werde nur ein Bruchteil davon wirklich zu Gründern. „Viele sind sehr inter- essiert, haben gute Ideen und gehen voll motiviert aus der Lehrverans­taltung. Letztendli­ch wagen sie dann aber doch nicht den Schritt zum Risiko“, berichtet Weiß. Die relativ hohen Einstiegsg­ehälter der Industrie, die in Oberösterr­eich händeringe­nd nach Fachkräfte­n suche, seien der Grund, warum die meisten Absolvente­n nur sekundär an Gründungen dächten. Laut einer Erhebung vor zwei Jahren gründen fünf bis sechs Prozent der FH-OÖ-Abgänger ein Unternehme­n. Sie zu begleiten und zu unterstütz­en ist die zweite Aufgabe des Transferze­ntrums. Auch dadurch soll das Gründungsp­otenzial der Hochschule mittelfris­tig erhöht werden.

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[ A. Proschek ]

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