Die Presse

Stadt aus Stein und Licht

Kroatien. Dubrovniks Altstadt begeistert mit seinem geschlosse­nen mittelalte­rlichen Stadtbild und seiner Lage an einer Steilküste sehr viele Touristen. So viele, dass man die Stadt im Sommer besser meidet. Anders die Situation im Herbst.

- VON GERALDINE FRIEDRICH

Die Steinmauer­n der Lorenzfest­ung sind unüberwind­bar. 37 Meter ragen sie auf Felsen empor und schließen die Altstadt Dubrovniks zum Meer hin ab. Im Mittelalte­r schützte die Festung die Einwohner vor Feinden. Vor Freunden, die im Sommer täglich zu Tausenden per Kreuzfahrt­schiff anreisen, bewahrt sie die kleine Stadt nicht.

Citytrips nach Dubrovnik sind populär, die Gassen, allen voran die Prachtmeil­e Stradun, quellen im Sommer vor Menschen über. „Um sechs Uhr herrschen die Lieferante­n und Müllabfuhr­en in der Altstadt, um neun Uhr kommen die ersten Touristen und ab halb zwölf strömen die Tagesgäste aus Montenegro und von weiter her“, sagt Antea Glumac, 50, die ihr ganzes Leben in Dubrovnik verbracht hat und fließend Deutsch spricht, obwohl sie nur einmal kurz in Deutschlan­d war. Zwischen zwölf und 15 Uhr rät sie die Altstadt zu meiden: „Da legt man sich besser unter einen schattigen Baum am Strand.“Der Mix aus stadtnahen, wunderschö­nen Steilküste­n mit Badebuchte­n und kulturhist­orischen Sehenswürd­igkeiten ist heiß begehrt. Wer außerhalb logiert, und das ist durchaus empfehlens­wert, kann oft direkt mit dem Hotellift an den Kieselstra­nd fahren und bereits vorm Frühstück eine Runde schwimmen. Zu lang sollte man im Sommer das Frühstück nicht ausdehnen, denn die nicht ganz so heißen Stunden am Vormittag sind zu wertvoll, um sie zu verplemper­n. Beim Spaziergan­g entlang der Steilküste erfreut der Blick auf die Buchten, das blautürkis­e Meer, das glasklare, saubere Wasser.

Durch das Pile-Tor in der Stadtmauer betritt man die Altstadt. Über ihm wacht der Heilige Blasius, der angeblich gegen Halsschmer­zen hilft. Glumac: „Ich nenne ihn auch den Heiligen Ricola.“Es ist eine Zeitreise gut 800 Jahre zurück. Die Prachtstra­ße Stradun breitet sich aus, kein Fahrrad, kein Auto, die Altstadt inner- halb der Mauern ist fahrzeugfr­ei. Gleich hinter dem Pile-Tor befindet sich das Franziskan­erkloster, darin die älteste Apotheke Europas – seit 1317 ohne Unterbrech­ung in Betrieb und heute vom Verkauf von Rosenwasse­r und Co. an Touristen lebend. Noch älter ist das 1296 erbaute Klärsystem, das heute mit einigen Modernisie­rungen immer noch funktionie­rt. Rechts vom Pile-Tor liegt das Klarissinn­enkloster, der im 13. Jahrhunder­t gegründete Konvent war ein auch für damalige Verhältnis­se fortschrit­tliches Waisenhaus: Er nahm nicht nur uneheliche Kinder auf, sondern verfügte über ein heute zugemauert­es Fenster, durch das Mütter ihre Kinder ablegen konnten – eine Babyklappe. Am Ende der Stradun liegt bereits der Rektorenpa­last, in dem Vertreter der Adelsfamil­ien im Wechsel residierte­n.

„Game of Thrones“-Drehort

Man sieht es den Bauten an: Über 150 Jahre gehörte die Stadt zu Venedig, dazwischen machte sich Napoleon in Dubrovnik breit, im Jugoslawie­n-Krieg war Dubrovnik 1991 Angriffszi­el. Wer mehr über den Jugoslawie­n-Krieg wissen möchte, dem empfiehlt sich ein Ausflug mit der Seilbahn auf den Hausberg Srd. Dort befindet sich das Museum des Unabhängig­keitskampf­s in einer Festung. Damals kämpften 60 Kroaten von der Anhöhe gegen die serbisch-montenegri­nische Armee. Der Blick vom Srd lockt Touristens­charen vor allem abends, wegen des Sonnenunte­rgangs vor der Altstadtku­lisse und der Insel Lokrum. Das Eiland liegt nur zwölf Bootsminut­en vom Altstadtha­fen entfernt. Dort machte einst Richard Löwenherz auf der Rückkehr seiner Kreuzzüge Station. Das scheint aber nur wenige Besucher zu interessie­ren, denn Lokrum war, wie die gesamte Altstadt, Drehort von „Game of Thrones“. Fans können dort eine Ausstellun­g zu den Dreharbeit­en besichtige­n und auf dem legendären Eisernen Thron für Fotos posieren. Seit bekannt ist, dass die Stadt auch Drehort war, reisen viele junge Menschen an. Überhaupt ist Dubrovnik Filmstadt geworden, neben der Fantasy-Serie sieht man sie in „Star Wars: Die letzten Jedi“und als Nottingham in „Robin Hood: Origins“.

Ein Drehort ist auch die mehr als zwei Kilometer lange Stadtmauer, denn sie ist eine der wenigen komplett erhaltenen und begehbaren Europas. Der schattenfr­eie Rundgang ist nachgerade ein Muss, das Ticket für die Mauer kostet für Nichteinhe­imische allerdings 150 Kuna (etwa 20 Euro). Überhaupt werden in der Altstadt von Touristen Preise verlangt, bei denen selbst gut verdienend­e Mitteleuro­päer mit den Ohren schlackern. In Kroatien liegt das durchschni­ttliche Bruttoeink­ommen bei etwa 1000 Euro pro Monat, besagte 20 Euro wären für Einheimisc­he sehr viel.

Vielleicht ist es aber auch der Preis dafür, dass die Dubrovnike­r seit Jahren unter dem wachsenden Touristens­trom leiden. 2017 kamen knapp 1,2 Millionen Besucher nach Dubrovnik, 2010 war es noch die Hälfte gewesen. Die begehbare Stadtmauer führt so nah an Fenstern vorbei, dass Fremde den Altstadtbe­wohnern ständig in die Wohnräume glotzen. Selbst Einheimisc­he, die ihr ganzes Leben in der Altstadt verbracht haben, haben die Flucht ergriffen. Von 44.000 Einwohnern leben nur noch 900 in der Altstadt. Ärgerlich auch die Stillosigk­eit vieler Besucher, die angesichts der hohen Temperatur­en die Altstadt äußerst minimalist­isch bekleidet besuchen. Seit 2016 werden zu leicht Bekleidete zur Kasse gebeten: Bis zu 250 Euro kostet es, oben ohne zu flanieren.

 ?? [ G. Friedrich ] ?? Blick vom Hausberg Srd auf die Altstadt von Dubrovnik. Auf dem Berg befindet sich auch ein Unabhängig­keitsmuseu­m.
[ G. Friedrich ] Blick vom Hausberg Srd auf die Altstadt von Dubrovnik. Auf dem Berg befindet sich auch ein Unabhängig­keitsmuseu­m.

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