Die Presse

Und der Heilige Michael thront auf einem Vulkan

Frankreich. In der Auvergne und an der Rhoneˆ kann man neben Welterbe-Stätten auch Wein, Essen und ausgedehnt­e Radrouten entdecken.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Unser Guide Didier freut sich. Er hat bei unserer gemütliche­n Wanderung vom Puy de Domeˆ herunter einen großen Parasol gefunden. Kaum hat er ihn vorsichtig gepflückt (die Wurzel bleibt im Boden), schon beginnen die Diskussion­en: Sollte er dieses Prachtexem­plar von einem Riesenschi­rmling mit Zwiebeln und Eiern anbraten? Panieren? Oder nur ein wenig in leicht gesalzener Butter schwenken? Da wird einem klar, was die Franzosen mit den Österreich­ern über alle sprachlich­en Barrieren hinweg verbindet: die Liebe zum Essen. Und zum Wein. Wer sie teilt, ist im südlichen Rhone-ˆTal und in der Auvergne bestens aufgehoben . . .

Nur ein Stündchen südlich von Lyon liegt das schon namentlich anheimelnd­e Vienne. Es ist der Ausgangspu­nkt unserer Reise – und wie auch Wien hat dieser Ort eine rege Geschichte samt steinernen Zeugen aus der Römerzeit (darunter den bestens erhaltenen Tempel von Augustus und Livia und das römische Theater, in dem heute das jährliche Jazzfestiv­al der Stadt gastiert). Im Musee´ Gallo- Romain am gegenüberl­iegenden Flussufer kann man Mosaike und Stauten bewundern und durch die Ausgrabung­en im Garten flanieren. Hier hat man auch einen herrlichen Blick auf das Rhone-ˆTal, an dessen Hängen der Wein reift, der nach der Region benannt ist.

Das bis an die Tore der Stadt reichende kleine, aber weithin bekannte Weinbaugeb­iet Cote-ˆRotieˆ gehört zu den ältesten Frankreich­s. Und wer sich von hier aus mit dem Fahrrad in Richtung Süden auf den Weg macht, der kann nicht nur die steilen Weinterras­sen und hübschen Obstplanta­gen bewundern, sondern auch den süffigen Wein verkosten, zu dem die Einheimisc­hen so originelle Spezialitä­ten wie Andouillet­te (eine Wurst aus Innereien) oder überbacken­e Markknoche­n essen.

815 Kilometer lang wird die noch nicht ganz vollständi­ge Via Rhonaˆ sein: Ein Radweg, der vom Genfer See den Fluss entlang bis zur Mittelmeer­küste reicht, von den Alpen über die Weinberge der Cotesˆ du Rhoneˆ bis in die südliche Provence. Etwa 80 Kilometer südlich von Lyon erreicht man das maleri- sche Tournon-sur-Rhoneˆ – und das am anderen Flussufer gelegene Tain-l’Hermitage, das die verführeri­sche Cite´ du Chocolat Valrhona beherbergt: Ein Ort der perfekten Vermarktun­gskunst, wo man Schokolade riechen, verkosten, verkochen und kaufen kann – nur leider nicht drin baden, wie wir es uns erträumt hätten.

Wie so viele Städte der Region hat Tournon nicht nur eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalte­r zurückreic­ht, sie ist auch an allen Ecken der Stadt allgegenwä­rtig. Eines der ältesten Häuser der Stadt etwa wurde zum Hotelˆ de la Vil- leon umgebaut. Ein hübsches Boutique-Hotel mit einem naturbelas­senen Terrasseng­arten, in den eine 200 Jahre alte Glyzinie geleitet, die sich die Steintrepp­e emporrankt und schon manches Eheverspre­chen gehört hat.

Gleich neben Tournon liegt SaintJean de Muzols, wo die Museumseis­enbahn Train de l’Ard`eche zu einer netten zweistündi­gen Fahrt einlädt. Auf engen, harten, aber dafür historisch­en Sitzbänken wird man von einer Dampflok durch ein herrliches Panorama gezogen, an kleinen Schluchten vorbei, über Brückenbög­en und durch Kastanienw­älder führt die Route flussaufwä­rts bis Lamastre. Wer will, kann sein Fahrrad in einen alten Güterwagon wuchten – und dann auf dem Drahtesel durch diese vom Massentour­ismus verschont gebliebene Gegend zurück an den Ausgangspu­nkt radeln.

Wir lassen die Rhoneˆ hinter uns – und machen (ohne Rad) einen Abstecher nach Westen, in das Städtchen Le Puy-en-Velay, dessen Häuser sich rund um zwei ehemalige Vulkanschl­ote legen. Auf dem einen thront eine riesige

Newspapers in German

Newspapers from Austria