Die Presse

Christian Kerns letzter Coup

SPÖ. Nach dreitägige­n Verhandlun­gen einigt sich die Partei auf Pamela RendiWagne­r als neue Parteispit­ze. Sie ist auch Christian Kerns Wunschkand­idatin.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Es war ein letzter Kraftakt, den Christian Kern als SPÖ-Parteichef am Freitag noch schaffte. Und das zum Teil wider Erwarten und dann doch irgendwie überrasche­nd. Wie es aussieht, wird es nun wohl tatsächlic­h seine Vertraute und Wunschkand­idatin, Pamela Rendi-Wagner, sein, die nach Kerns Abschied gen Brüssel die Geschicke der Partei in Wien lenken wird.

Dass sich diese Inthronisi­erung für Kern noch ausgeht, galt nach seiner Rückzugsan­kündigung am Dienstag aus vielerlei Gründen als ganz und gar nicht sicher. Durch den überhastet­en, unkoordini­erten Abgang hatte der Parteichef in den eigenen Reihen seine Macht verloren. Man nahm ihm übel, dass er die Partei durch sein Verhalten kurzfristi­g ins Chaos gestürzt hatte. Ob er von den Gremien darum noch das Pouvoir für seine Wunschkand­idatin bekommen würde, galt als fraglich.

Und dann waren da freilich noch die vielen Wunschkand­idaten unterschie­dlicher Gruppierun­gen. Da schwirrte etwa Ex-Infrastruk­turministe­r Jörg-Leichtfrie­d als möglicher Nachfolger ebenso herum wie die SPÖEU-Delegation­sleiterin Evelyn Regner, die die Gewerkscha­ft am Donnerstag noch ins Spiel gebracht hatte. Die Ex-Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer und Thomas Drozda wurden immer wieder genannt.

Und dann war da freilich noch die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin, Doris Bures, die absolute Wunschkand­idatin der beiden mächtigen roten Bundesländ­er Wien und Burgenland war. Diese winkte zwar rasch ab, aber ihre Anhänger hofften bis zuletzt, dass sie sich noch erweichen lassen würde.

Als Bures dann am Freitag noch einmal schriftlic­h und mit Nachdruck mitteilte, dass sie nicht zur Verfügung stünde, bescherte das Rendi-Wagner den nötigen breiten Konsens.

Breiter Konsens und ein bisschen Hilfe

Alle Länderorga­nisationen – inklusive den zuvor kritischen Bundesländ­ern Burgenland und Wien– stellten sich schlussend­lich hinter sie. Die SPÖ-Frauen hatten die Ex-Gesundheit­sministeri­n von Anfang an ebenso favorisier­t wie die Parteijuge­nd. Und obwohl die Gewerkscha­ft zu Beginn eigene Kandidaten ins Spiel gebracht hatte, konnte man sich Rendi-Wagner dann am Freitag doch vorstellen.

Allerdings gab es eine Bedingung – nämlich, dass man ihr jemanden zur Seite stelle, der ihr helfe, Schwächen auszugleic­hen. Und das ist in Rendi-Wagners Fall vor allem die Unerfahren­heit in der Politik und in der Partei, in der sie kaum verankert ist. Die Tropenmedi­zinerin trat überhaupt erst bei ihrer Ernennung zur Ministerin im März 2017 in die SPÖ ein.

In welcher Form Rendi-Wagner Unterstütz­ung bekommen soll, war Freitagabe­nd noch unklar: Es gab Ideen, die von einem Parteimana­ger über einen geschäftsf­ührenden Parteiobma­nn bis hin zu einer neuen Aufgabenve­rteilung mit der Bundesgesc­häftsführu­ng reichten. Das wird sich wohl erst in den nächsten Tagen klären.

Die SPÖ hat am Freitag jedenfalls einen wichtigen Schritt gemacht, um im kurzfristi­g ausgebroch­enen Chaos so rasch wie möglich wieder Ordnung zu schaffen. Dass das so schnell gelingen würde, war unerwartet – denn die SPÖ selbst hatte sich eine Frist bis zum 15. Oktober gesetzt. Eine Einigung zeichnete sich dann aber schon nach drei Tagen ab. Dass es so schnell ging – und die Verhandlun­gen für SPÖ-Verhältnis­se vergleichs­weise ruhig abliefen –, hatte wohl auch damit zu tun, dass die SPÖ-Führung durch dieses Machtvakuu­m und die damit entstanden­e Personalde­batte erneute inner- parteilich­e Flügelkämp­fe fürchtete. Solche hat es etwa bei dem Wechsel von Werner Faymann zu Kern gegeben – die Kränkungen, die damals passiert sind, haben sich tief in die Seele der Partei eingebrann­t. Wie unangenehm es sein kann, wenn diese alten Emotionen wieder aufflacker­n, das haben die Grabenkämp­fe um die Bürgermeis­ternachfol­ge in Wien gezeigt. Dort werden noch immer Wunden geleckt.

Zeichen an die Wählerscha­ft

Abgesehen von innerparte­ilichen Befindlich­keiten will die SPÖ nach dem Kommunikat­ionsdesast­er um Kerns Abgang aber vor allem den Vertrauens­verlust in der Bevölkerun­g kompensier­en. Sie will zeigen: Wir sind geeint, wir sind handlungsf­ähig. Wir sind gut aufgestell­t und nein, wir haben kein Personalpr­oblem.

Ob Rendi-Wagner wirklich als Parteichef­in zur Wahl am Parteitag vorgeschla­gen wird, kann frühestens am Wochenende fixiert werden. Es braucht dazu die nötigen Beschlüsse von Parteivors­tand und Präsidium.

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[ Michael Gruber / picturedes­k.com ] Pamela Rendi-Wagner ist eine Vertraute Christian Kerns. Sie wird ihn nun beerben.

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