Wer Risiko liebt, kauft in China ein
Aktien. Der Handelskrieg ist eingepreist, die Bewertungen sind günstig und die Konjunktur läuft halbwegs rund. Zeit, ein wenig in China einzukaufen.
Der Handelskrieg ist eingepreist, die Bewertungen sind günstig und die Konjunktur läuft halbwegs rund. Zeit für Anleger, ein wenig in China einzukaufen.
Auf den ersten Blick mag das ziemlich verwirrend sein. Da gibt US-Präsident Donald Trump die bisher zahlenmäßig schwerwiegendsten Zollsanktionen gegen China bekannt. Und die Börse in Shanghai legt geradezu ein Kursfeuerwerk hin, gewinnt innerhalb von zwei Tagen mehr als drei Prozent.
Was ist da los? Sind etwa die Warnungen, dass der Handelskrieg zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften zu verheerenden Kurseinbrüchen führen kann, völlig überzogen?
Nein, sind sie nicht. Allerdings zeigt die vergangene Woche, dass der Disput zumindest am Markt in China schon zum größten Teil eingepreist ist. Die Börsianer hatten seit Langem damit gerechnet, dass Trump weitere Tarife auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar einheben würde. Und auch die Revanche Pekings, das nun nahezu die gesamten US-Importe von 130 Milliarden Dollar pro Jahr zollpflichtig stellt, war erwartet worden. Das Kursplus in Shanghai ist der Tatsache geschuldet, dass die USA zunächst nur zehn Prozent einheben. Erst im Jänner soll der Wert auf die ursprünglich erwarteten 25 Prozent ansteigen.
Nach unten geprügelt
Tatsächlich können risikofreudige Anleger gerade jetzt ein Auge auf China werfen. Seit Trump im März die erste große Zolloffensive gegen Peking verkündet hatte, verlor der Shanghai Composite Index mehr als 20 Prozent, deutlich mehr als der Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets Index, der gut zehn Prozent im Minus liegt. Zum Vergleich: Der US-amerikanische Index S&P 500 legte seitdem zweistellig zu. Der MSCI World verzeichnet ein Plus von fünf Prozent. Kinger Lau, Chefstratege für China bei Goldman Sachs, wies kürzlich darauf hin, dass internationale Investoren, die den US-Markt mittlerweile als zu hoch bewertet sehen, vermehrt an China interessiert sind.
So liegt das vorausschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis – es stellt die Aktienkurse mit den erwarteten Profiten für die kommenden zwölf Monate in Relation – in Shanghai bei 10,4. In New York steht es für den S&P 500 im Schnitt bei 18. Mit gutem Grund. Die US-Wirtschaft boomt und viele Beobachter argumentieren, dass die weltgrößte Volkswirtschaft im Handelskrieg auf dem längeren Ast sitzt. Aber: Viel schlimmer kann es im Zollstreit für Peking nicht mehr kommen. Selbst Trumps Drohung, dass er Tarife auf die gesamten Importe in Höhe von mehr als 500 Milliarden Dollar einheben lassen könnte, sind teilweise schon eingepreist.
Indexfonds müssen nachkaufen
Auch die Ankündigung des Finanzdienstleisters MSCI, 230 weitere chinesische Firmen in seinen Emerging Markets Index aufzunehmen, sorgt unter Investoren im Reich der Mitte für Optimismus. Sämtliche Indexfonds, die den wichtigsten Index für Schwellenländer nachbauen, müssen nun in China zukaufen. 31 Milliarden Dollar an ausländischen Geldern flossen heuer bisher nach Shanghai und Shenzhen. Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein für den sieben Billionen Dollar schweren chinesischen Markt, der hauptsächlich aus Hongkong gesteuert wird. Aber es ist deutlich mehr als im Vorjahr − und der Wert wird wohl weiter kontinuierlich ansteigen.
Ein riskantes Abenteuer
Trotz des Handelskriegs wächst die zweitgrößte Wirtschaftsmacht immer noch um mehr als sechs Prozent pro Jahr, und ein kürzlich verlautetes Investitionsprogramm wird die Konjunktur anfeuern. Hier liegt freilich auch das größte Risiko: Es ist ein auf Schulden gebauter Boom. Die öffentliche wie auch die private Verschuldung markieren einen Rekord nach dem nächsten. Da hat sich eine Blase gebildet. Irgendwann wird sie platzen, dann setzt es Verluste. Keiner weiß, wann es so weit sein wird, ob nächste Woche oder erst in einigen Jahren.
Die auf Asien spezialisierten Investmentberater von Stansberry Research empfehlen jedenfalls, der Verlockung in China zu widerstehen, Bargeld zu halten und abzuwarten: „Nur weil der Markt günstig ist, heißt das nicht, dass es nicht noch weiter nach unten gehen kann.“In jedem Fall muss man ein Investment in China als das sehen, was es ist: ein Abenteuer, in das man nur jenen Teil des Portfolios stecken sollte, dessen Teilverlust man auch verkraften könnte.