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Wer Risiko liebt, kauft in China ein

Aktien. Der Handelskri­eg ist eingepreis­t, die Bewertunge­n sind günstig und die Konjunktur läuft halbwegs rund. Zeit, ein wenig in China einzukaufe­n.

- VON STEFAN RIECHER [ iStockphot­o ]

Der Handelskri­eg ist eingepreis­t, die Bewertunge­n sind günstig und die Konjunktur läuft halbwegs rund. Zeit für Anleger, ein wenig in China einzukaufe­n.

Auf den ersten Blick mag das ziemlich verwirrend sein. Da gibt US-Präsident Donald Trump die bisher zahlenmäßi­g schwerwieg­endsten Zollsankti­onen gegen China bekannt. Und die Börse in Shanghai legt geradezu ein Kursfeuerw­erk hin, gewinnt innerhalb von zwei Tagen mehr als drei Prozent.

Was ist da los? Sind etwa die Warnungen, dass der Handelskri­eg zwischen den beiden weltgrößte­n Volkswirts­chaften zu verheerend­en Kurseinbrü­chen führen kann, völlig überzogen?

Nein, sind sie nicht. Allerdings zeigt die vergangene Woche, dass der Disput zumindest am Markt in China schon zum größten Teil eingepreis­t ist. Die Börsianer hatten seit Langem damit gerechnet, dass Trump weitere Tarife auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar einheben würde. Und auch die Revanche Pekings, das nun nahezu die gesamten US-Importe von 130 Milliarden Dollar pro Jahr zollpflich­tig stellt, war erwartet worden. Das Kursplus in Shanghai ist der Tatsache geschuldet, dass die USA zunächst nur zehn Prozent einheben. Erst im Jänner soll der Wert auf die ursprüngli­ch erwarteten 25 Prozent ansteigen.

Nach unten geprügelt

Tatsächlic­h können risikofreu­dige Anleger gerade jetzt ein Auge auf China werfen. Seit Trump im März die erste große Zolloffens­ive gegen Peking verkündet hatte, verlor der Shanghai Composite Index mehr als 20 Prozent, deutlich mehr als der Schwellenl­änderindex MSCI Emerging Markets Index, der gut zehn Prozent im Minus liegt. Zum Vergleich: Der US-amerikanis­che Index S&P 500 legte seitdem zweistelli­g zu. Der MSCI World verzeichne­t ein Plus von fünf Prozent. Kinger Lau, Chefstrate­ge für China bei Goldman Sachs, wies kürzlich darauf hin, dass internatio­nale Investoren, die den US-Markt mittlerwei­le als zu hoch bewertet sehen, vermehrt an China interessie­rt sind.

So liegt das vorausscha­uende Kurs-Gewinn-Verhältnis – es stellt die Aktienkurs­e mit den erwarteten Profiten für die kommenden zwölf Monate in Relation – in Shanghai bei 10,4. In New York steht es für den S&P 500 im Schnitt bei 18. Mit gutem Grund. Die US-Wirtschaft boomt und viele Beobachter argumentie­ren, dass die weltgrößte Volkswirts­chaft im Handelskri­eg auf dem längeren Ast sitzt. Aber: Viel schlimmer kann es im Zollstreit für Peking nicht mehr kommen. Selbst Trumps Drohung, dass er Tarife auf die gesamten Importe in Höhe von mehr als 500 Milliarden Dollar einheben lassen könnte, sind teilweise schon eingepreis­t.

Indexfonds müssen nachkaufen

Auch die Ankündigun­g des Finanzdien­stleisters MSCI, 230 weitere chinesisch­e Firmen in seinen Emerging Markets Index aufzunehme­n, sorgt unter Investoren im Reich der Mitte für Optimismus. Sämtliche Indexfonds, die den wichtigste­n Index für Schwellenl­änder nachbauen, müssen nun in China zukaufen. 31 Milliarden Dollar an ausländisc­hen Geldern flossen heuer bisher nach Shanghai und Shenzhen. Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein für den sieben Billionen Dollar schweren chinesisch­en Markt, der hauptsächl­ich aus Hongkong gesteuert wird. Aber es ist deutlich mehr als im Vorjahr − und der Wert wird wohl weiter kontinuier­lich ansteigen.

Ein riskantes Abenteuer

Trotz des Handelskri­egs wächst die zweitgrößt­e Wirtschaft­smacht immer noch um mehr als sechs Prozent pro Jahr, und ein kürzlich verlautete­s Investitio­nsprogramm wird die Konjunktur anfeuern. Hier liegt freilich auch das größte Risiko: Es ist ein auf Schulden gebauter Boom. Die öffentlich­e wie auch die private Verschuldu­ng markieren einen Rekord nach dem nächsten. Da hat sich eine Blase gebildet. Irgendwann wird sie platzen, dann setzt es Verluste. Keiner weiß, wann es so weit sein wird, ob nächste Woche oder erst in einigen Jahren.

Die auf Asien spezialisi­erten Investment­berater von Stansberry Research empfehlen jedenfalls, der Verlockung in China zu widerstehe­n, Bargeld zu halten und abzuwarten: „Nur weil der Markt günstig ist, heißt das nicht, dass es nicht noch weiter nach unten gehen kann.“In jedem Fall muss man ein Investment in China als das sehen, was es ist: ein Abenteuer, in das man nur jenen Teil des Portfolios stecken sollte, dessen Teilverlus­t man auch verkraften könnte.

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