Sturm der Frauen auf Türkis-Blau
Nationalrat. Die Oppositionsparteien haben ihr Spitzenpersonal ausgetauscht, aus drei Männern wurden drei Frauen. Von neuen Aufgaben, Chancen und Risken.
Die Opposition hat ihre Spitzen ausgetauscht, aus drei Männern wurden drei Frauen.
Drei Frauen kämpfen gegen zwei Männer. So könnte man das Verhältnis der im Nationalrat vertretenen Parteien zueinander auf den kleinsten Nenner bringen.
Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ werden mit Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache von zwei Männern angeführt. Alle drei Oppositionsparteien haben in den letzten Wochen ihre Spitzen getauscht. Bei den Neos führt statt Matthias Strolz nun Beate MeinlReisinger. Peter Pilz übergab den Stab an Maria Stern. Den jüngsten Rollentausch führte die SPÖ durch: Christian Kern geht, Pamela RendiWagner kommt.
Diese neue Rollenverteilung ist spannend. Schon deswegen bekommt die Opposition derzeit viel Aufmerksamkeit. Das kann Chance, aber auch Risiko sein.
Die designierte SPÖParteichefin Pamela Rendi-Wagner (47) ist in Österreich die erste Frau an der Spitze der Sozialdemokraten. Dass die Wahl auf sie gefallen ist, stößt in der SPÖ nicht nur auf Begeisterung. „Zu unerfahren, zu wenig in der SPÖ verankert, zu sehr Team Christian Kern“– das ist der Tenor jener, die sie noch zu überzeugen hat.
Der Erfolg der SPÖ wird maßgeblich davon abhängen, ob ihr das gelingt. Ob Kritiker ihr eine ehrliche Chance geben, oder ob von Anfang an wieder nur Machtspielchen und Intrigen dominieren. Denn dann wäre die SPÖ wie in den letzten Jahren so oft erneut mehr mit sich selbst als mit dem Wähler beschäftigt.
Rendi-Wagner ist definitiv ein neuer Typus SPÖ-Politiker – was ihr Auftreten, ihre Art, aber auch ihren Werdegang betrifft. Die Tropenmedizinerin war bis vor eineinhalb Jahren noch nicht einmal Parteimitglied – heute ist sie designierte Parteichefin. Das ist auch ein Zeichen an jene, die sich eine echte Parteiöffnung wünschen. Ein Zeichen dafür, dass man bei der SPÖ auch etwas werden kann, wenn man nicht seit Jahrzehnten in der Partei ist und dort fraktioniert hat.
Diese fehlende Routine birgt auch Risken – Oppositionspolitik ist ein hartes und oft undankbares Geschäft. Abgesehen von RendiWagners Persönlichkeitsstruktur wird beim Wähler zählen, wie sie sich positioniert – ein Knackpunkt wird die Migrationsfrage sein.
Derzeit gibt es mehrere Wähler-Pools, in denen die SPÖ gern fischen würde. Die vielen Stimmen, die über die Jahre Richtung FPÖ gewandert sind, versucht man sich mit linker Arbeitsmarktpolitik zurückzuholen. Aber auch die Neos wurden zuletzt ernst zu nehmende Konkurrenz, die mit ihrer gesellschaftsliberalen Politik Wählerpotenzial anzapften. Und dann gilt es noch potenzielle Grün- und Liste-Pilz-Wähler zu begeistern – bei beiden Parteien ist es fraglich, ob sie es bei der nächsten Wahl überhaupt in den Nationalrat schaffen.
Die noch jungen Neos haben mit Beate Meinl-Reisinger eine neue Chefin. Matthias Strolz, der gute Beliebtheitswerte hatte, zieht sich ganz aus der Politik zurück. Die Wienerin will ein modernes, urbanes Weltbild repräsentieren: Sie ist berufstätig, erwartet jetzt das dritte Kind – und hat angekündigt, nur eine kurze Auszeit zu nehmen.
Was der ehemaligen NeosWien-Chefin gelingen muss: Ihre eigenen Bekanntheitswerte zu steigern, ihr Profil zu schärfen. Eine politische Linie kristallisiert sich schon heraus: Ein klarer Pro-EUKurs, neoliberale Wirtschaftspolitik gepaart mit gesellschaftsliberalen Positionen. Das ist in erster Linie als Angebot an jene ÖVP-Wähler zu lesen, die eher zur schwarzen als zur türkisen Reichshälfte gehören – oder anders formuliert: Man will sich die Christlichsozialen holen, denen das Anbandeln von Sebastian Kurz mit der FPÖ und deren Positionen ein Dorn im Auge ist. Mit diesem Kurs konnten die Neos zuletzt aber auch Grün und SPÖ-Wähler ansprechen.
Innerparteilich hat Meinl-Reisinger einige Baustellen: Für die EU-Wahl muss ein Spitzenkandidat gefunden und bekannt gemacht werden. In Wien ist die Situation ähnlich: Dort hat MeinlReisinger mit Christoph Wiederkehr bereits einen Nachfolger gefunden – der aber noch sehr unbekannt ist.
Peter Pilz übergab an Maria Stern. Ihre Hauptaufgabe wird sein, überhaupt eine Partei aufzubauen. Bisher hatte die Liste Pilz nämlich nur wenige Mitglieder. Daneben muss sie es schaffen, das Image der Partei aufzupolieren, um potenzielle Wähler zurückzugewinnen. Durch interne Querelen ist die Liste Pilz in den Umfragen zuletzt auf zwei Prozent abgestürzt.