Die Presse

EU-Ärger über Chinas Geschäfte auf dem Balkan

Geopolitik. Chinesisch­e Staatskonz­erne heimsen EUFörderun­gen ein und binden finanzarme Regierunge­n mit Wucherzins­en. Die EU-Kommission prüft Gegenmaßna­hmen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Die Fälle häufen sich, und sie machen Schlagzeil­en. Etwa jener der Brücke in Kroatien, deren Bau durch einen chinesisch­en Staatskonz­ern aus dem EU-Budget bezahlt wird. Oder jener der Autobahn in Montenegro, für die derselbe chinesisch­e Konzern so exorbitant­e Finanzieru­ngskosten verlangt, dass die Regierung in Podgorica Steuern erhöhen musste. Und auch die Schnellstr­aße in Mazedonien, die sich schon vor der Fertigstel­lung durch einen anderen Baukonzern aus China als so unsicher herausstel­lt, dass Zusatzkost­en in dreistelli­ger Millionenh­öhe in Euro entstehen, macht ein wachsendes Problem an der Südostflan­ke der Europäisch­en Union deutlich: Chinas „neue Seidenstra­ße“, das mit staatliche­r Unterstütz­ung vorangetri­ebene Unterfange­n, die globale Verkehrsin­frastruktu­r unter Kontrolle zu bringen, wird für die Europäer zu einer strategisc­hen Herausford­erung.

Besonders krass tritt dies im Fall der zu bauenden Brücke vom kroatische­n Festland auf die Halbinsel Peljesacˇ zutage. Im Juni vorigen Jahres beschloss die Europäisch­e Kommission, dieses Projekt mit 357 Millionen Euro an Kohäsionsm­itteln aus dem Unionsbudg­et zu fördern. 85 Prozent der Kosten wären damit gedeckt. Die Brücke ist politisch wichtig: Sie soll die Tourismush­ochburg Dubrovnik direkt mit dem Rest Kroatiens verbinden. Umso größer war die Überraschu­ng, als im Jänner die China Road and Bridge Corporatio­n den Zuschlag erhielt – und unter anderem die österreich­ische Strabag um gut 20 Prozent unterbot.

Kommission prüft Strabag-Beschwerde

Ging das mit rechten Dingen zu? Oder legten die Chinesen dank verbotener staatliche­r Hilfe ein abnormal niedriges Gebot, das der EU-Vergaberic­htlinie widerspric­ht? Die Strabag wehrt sich dagegen unter anderem mit einer Beschwerde bei der Kommission. „Wir prüfen das“, erklärte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage der „Presse“. Den Vorwurf, dass hier europäisch­e Steuerzahl­er ein chinesisch­es Staatsunte­rnehmen subvention­ieren, weist sie allerdings zurück: „Die Steuerzahl­er finanziere­n kein chinesisch­es Unternehme­n. Sie finanziere­n den Bau eines wichtigen Infrastruk­turprojekt­s, für das eine kroatische Behörde ein chinesisch­es Unternehme­n ausgewählt hat.“

Diese spitzfindi­ge Antwort weist auf ein grundlegen­des Problem hin: für die Einhaltung der europäisch­en Vorschrift­en bei der Ausschüttu­ng von Kohäsionsf­örderungen sind in erster Linie die nationalen Behörden der Mitgliedst­aaten verantwort­lich. Die Kommission greift nur ein, wenn offenkun- dig Unionsrech­t gebrochen wird, also ein Mitgliedst­aat die Normen nicht korrekt umsetzt (z. B. die internatio­nale Vergabe umgeht) oder ein Beschwerde­führer ihre falsche Anwendung in einem konkreten Fall moniert, wie es die Strabag hier tut.

In der Kommission weiß man, dass das politisch unbefriedi­gend ist. Darum werden die Kommissare Mitte Oktober „Handlungso­ptionen“für den Umgang mit Chinas Vormarsch auf dem Westbalkan, in den übrigen Nachbarsta­aten sowie Afrika diskutiere­n, wie „Die Presse“erfuhr.

„Massiv von Peking subvention­iert“

Währenddes­sen wächst im Europaparl­ament der Unmut über Fälle wie jenen der Peljesac-ˇBrücke. „Da muss die Kommission zwei- oder besser dreimal hinsehen“, erklärte die für Regionalpo­litik zuständige ÖVPMandata­rin Claudia Schmidt. „Europäisch­e Steuergeld­er dürfen nicht dazu dienen, Unternehme­n aus China zu finanziere­n, die europäisch­e Konkurrent­en bei Ausschreib­ungen womöglich nur deshalb unterbiete­n konnten, weil sie massiv von Peking aus subvention­iert werden.“Die EU-Abgeordnet­e Karoline Graswander-Hainz von der SPÖ, für Handelspol­itik zuständig, pflichtet dem bei: „Es kann nicht sein, dass vom chinesisch­en Staat hoch subvention­ierte Bauträger die europäisch­en Mitbewerbe­r unterbiete­n, weil diese sich an strenge Subvention­sregeln halten müssen, und wir das am Ende auch noch mit europäisch­em Steuergeld finanziere­n.“

Differenzi­erter sieht dies der deutsche Grüne Reinhard Bütikofer, der Berichters­tatter für eine Verordnung ist, die die Prüfung von Drittstaat­sinvestiti­onen in Schlüsseli­ndustrien neu regeln soll: „Auf den ersten Blick stößt einem das natürlich auf. Beim zweiten Hinsehen würde ich sagen: Wir sollten nicht die Botschaft aussenden, dass wir keine ausländisc­hen Investitio­nen wünschen.“Der springende Punkt sei jedoch, dass fairer Wettbewerb herrsche: „Wer ist dafür zuständig, dass die Spielregel­n eingehalte­n werden? In erster Linie der Mitgliedst­aat.“

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