EU-Ärger über Chinas Geschäfte auf dem Balkan
Geopolitik. Chinesische Staatskonzerne heimsen EUFörderungen ein und binden finanzarme Regierungen mit Wucherzinsen. Die EU-Kommission prüft Gegenmaßnahmen.
Brüssel. Die Fälle häufen sich, und sie machen Schlagzeilen. Etwa jener der Brücke in Kroatien, deren Bau durch einen chinesischen Staatskonzern aus dem EU-Budget bezahlt wird. Oder jener der Autobahn in Montenegro, für die derselbe chinesische Konzern so exorbitante Finanzierungskosten verlangt, dass die Regierung in Podgorica Steuern erhöhen musste. Und auch die Schnellstraße in Mazedonien, die sich schon vor der Fertigstellung durch einen anderen Baukonzern aus China als so unsicher herausstellt, dass Zusatzkosten in dreistelliger Millionenhöhe in Euro entstehen, macht ein wachsendes Problem an der Südostflanke der Europäischen Union deutlich: Chinas „neue Seidenstraße“, das mit staatlicher Unterstützung vorangetriebene Unterfangen, die globale Verkehrsinfrastruktur unter Kontrolle zu bringen, wird für die Europäer zu einer strategischen Herausforderung.
Besonders krass tritt dies im Fall der zu bauenden Brücke vom kroatischen Festland auf die Halbinsel Peljesacˇ zutage. Im Juni vorigen Jahres beschloss die Europäische Kommission, dieses Projekt mit 357 Millionen Euro an Kohäsionsmitteln aus dem Unionsbudget zu fördern. 85 Prozent der Kosten wären damit gedeckt. Die Brücke ist politisch wichtig: Sie soll die Tourismushochburg Dubrovnik direkt mit dem Rest Kroatiens verbinden. Umso größer war die Überraschung, als im Jänner die China Road and Bridge Corporation den Zuschlag erhielt – und unter anderem die österreichische Strabag um gut 20 Prozent unterbot.
Kommission prüft Strabag-Beschwerde
Ging das mit rechten Dingen zu? Oder legten die Chinesen dank verbotener staatlicher Hilfe ein abnormal niedriges Gebot, das der EU-Vergaberichtlinie widerspricht? Die Strabag wehrt sich dagegen unter anderem mit einer Beschwerde bei der Kommission. „Wir prüfen das“, erklärte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage der „Presse“. Den Vorwurf, dass hier europäische Steuerzahler ein chinesisches Staatsunternehmen subventionieren, weist sie allerdings zurück: „Die Steuerzahler finanzieren kein chinesisches Unternehmen. Sie finanzieren den Bau eines wichtigen Infrastrukturprojekts, für das eine kroatische Behörde ein chinesisches Unternehmen ausgewählt hat.“
Diese spitzfindige Antwort weist auf ein grundlegendes Problem hin: für die Einhaltung der europäischen Vorschriften bei der Ausschüttung von Kohäsionsförderungen sind in erster Linie die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten verantwortlich. Die Kommission greift nur ein, wenn offenkun- dig Unionsrecht gebrochen wird, also ein Mitgliedstaat die Normen nicht korrekt umsetzt (z. B. die internationale Vergabe umgeht) oder ein Beschwerdeführer ihre falsche Anwendung in einem konkreten Fall moniert, wie es die Strabag hier tut.
In der Kommission weiß man, dass das politisch unbefriedigend ist. Darum werden die Kommissare Mitte Oktober „Handlungsoptionen“für den Umgang mit Chinas Vormarsch auf dem Westbalkan, in den übrigen Nachbarstaaten sowie Afrika diskutieren, wie „Die Presse“erfuhr.
„Massiv von Peking subventioniert“
Währenddessen wächst im Europaparlament der Unmut über Fälle wie jenen der Peljesac-ˇBrücke. „Da muss die Kommission zwei- oder besser dreimal hinsehen“, erklärte die für Regionalpolitik zuständige ÖVPMandatarin Claudia Schmidt. „Europäische Steuergelder dürfen nicht dazu dienen, Unternehmen aus China zu finanzieren, die europäische Konkurrenten bei Ausschreibungen womöglich nur deshalb unterbieten konnten, weil sie massiv von Peking aus subventioniert werden.“Die EU-Abgeordnete Karoline Graswander-Hainz von der SPÖ, für Handelspolitik zuständig, pflichtet dem bei: „Es kann nicht sein, dass vom chinesischen Staat hoch subventionierte Bauträger die europäischen Mitbewerber unterbieten, weil diese sich an strenge Subventionsregeln halten müssen, und wir das am Ende auch noch mit europäischem Steuergeld finanzieren.“
Differenzierter sieht dies der deutsche Grüne Reinhard Bütikofer, der Berichterstatter für eine Verordnung ist, die die Prüfung von Drittstaatsinvestitionen in Schlüsselindustrien neu regeln soll: „Auf den ersten Blick stößt einem das natürlich auf. Beim zweiten Hinsehen würde ich sagen: Wir sollten nicht die Botschaft aussenden, dass wir keine ausländischen Investitionen wünschen.“Der springende Punkt sei jedoch, dass fairer Wettbewerb herrsche: „Wer ist dafür zuständig, dass die Spielregeln eingehalten werden? In erster Linie der Mitgliedstaat.“