Iran gibt USA Schuld für Anschlag
Terror. Die Dutzenden Toten bei einem Angriff auf eine Militärparade haben ein internationales Nachspiel: Teheran macht Washington und drei EU-Länder mitverantwortlich.
Nach einem der schwersten Terroranschläge in der Geschichte des Iran, bei dem am Samstag mindestens 29 Menschen erschossen und über 60 verletzt wurden, wachsen die Spannungen in der Golfregion. Die iranische Führung beschuldigte „ein ausländisches Regime“als Drahtzieher und zeigte damit implizit auf ihren Erzrivalen Saudiarabien. Eines der Länder am Südrand des Persischen Golfs habe die Attentäter politisch unterstützt sowie mit Geld und Waffen versorgt, erklärte Präsident Hassan Ro- hani am Sonntag, nannte aber keine Namen. Sein Land werde „die regionalen Terrorsponsoren und ihre amerikanischen Meister“zur Verantwortung ziehen, twitterte auch Teherans Außenminister Mohammed Javad Zarif. Vor seinem Abflug zur UN-Vollversammlung in New York sagte Rohani: „Die kleinen Marionetten-Staaten in der Region werden unterstützt von Amerika, und die USA provozieren sie und geben ihnen die nötigen Ressourcen.“Den Golfstaaten wirft er die Finanzierung und Bewaffnung der hinter dem Anschlag vermuteten Extremistengruppe vor.
Nach Angaben des Innenministeriums eröffneten vier Angreifer, getarnt als Revolutionäre Garden, das Feuer auf eine Militärparade in Ahvaz, der Hauptstadt der Provinz Khuzestan im Südwesten. Auf einem Handyvideo, welches das staatliche Fernsehen ausgestrahlt hat, sind zunächst marschierende Soldaten vor der Haupttribüne zu sehen, als plötzlich Schüsse fallen, Uniformierte und Zuschauer panisch auseinanderlaufen und nach Deckung suchen. Wie Augenzeugen berichteten, dauerte der Terrorüberfall etwa zehn Minuten. Auf späteren Aufnahmen sind Tote und Verletzte auf dem Asphalt zu sehen, darunter auch Kinder.
Die vier Terroristen wurden nach Angaben des Staatsfernsehens erschossen. Mit der jährlichen Parade, die parallel auch in Teheran und anderen Städten abgehalten wird, erinnert die Islamische Republik an den achtjährigen Krieg gegen den Irak von 1980 bis 1988, der auf beiden Seiten etwa 800.000 Menschen das Leben kostete.
Wer genau hinter dem Massaker von Ahvaz steckt, einer Stadt mit einer Million Einwohnern, blieb am Wochenende unklar. Der „Islamische Staat“(IS) behauptete auf seiner Website Amaq, die „Soldaten des Kalifats“hätten den Terrorangriff ausgeführt als Vergeltung für Irans Rolle in den Konflikten der Region. In einer ersten Version des Be- kennertextes jedoch hatte es geheißen, das Attentat habe Präsident Hassan Rohani gegolten, der gar nicht vor Ort war. Die Regierung in Teheran macht daher die Separatisten der „Ahvazi Democratic Popular Front“(ADPF) verantwortlich, deren Exilsprecher in Kopenhagen die Bluttat für seine Organisation reklamierte. Noch am Samstagabend bestellte Iran die Botschafter von Dänemark und den Niederlanden sowie den britischen Geschäftsträger ein, um dagegen zu protestieren, dass die drei europäischen Staaten Ahvazi-Vertretern Aufenthalt gewähren. „Es ist nicht akzeptabel, dass die EU-Mitglieder diese Terrorgruppen nicht auf eine schwarze Liste setzt, solang diese auf europäischem Boden keine Straftaten begehen“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi.
Die Mehrheit der Bevölkerung in Khuzestan, wo sich ein Großteil der iranischen Ölvorkommen befindet, gehört der sunnitisch-arabischen Minderheit an. Sie fühlt sich von der schiitischen Führung der Islamischen Republik vernachlässigt und strebt mehr Autonomie an. Seit Monaten kommt es hier zu Unruhen und Demonstrationen. Die Region leidet unter einer katastrophalen Dürre und wird von heftigen Sandstürmen geplagt. Haushalte haben oft tagelang keinen Strom und kein fließend Wasser. Die chronische Umwelt- und Wirtschaftskrise könnte sich weiter verschärfen, wenn am 5. November die zweite Phase der US-Sanktionen mit dem Rohölboykott in Kraft tritt.
Auch in früheren Jahren gingen schwere Attentate im Iran auf das Konto sunnitischer Extremisten. 2017 stürmten Kurdisch-sprechende Terroristen, die sich als Mitglieder des IS bezeichneten, in einem Simultanangriff das Parlament in Teheran und die Grabmoschee von Staatsgründer Khomeini. 18 Menschen starben, über 50 wurden verletzt. 2010 sprengte sich in der östlichen Stadt Zahedan in der Provinz Sistan und Baluchistan ein Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in die Luft und riss 27 Gläubige mit in den Tod.