Die Presse

Gutes Wetter, schlechte Geschäfte?

Handel. Analysten haben ihre Zweifel: Wenn sich nach dem heißen Sommer unter den Händlern die Gewinnwarn­ungen häufen, ist nicht nur das Wetter am Minus in den Büchern schuld.

- VON ANTONIA LÖFFLER UND MATTHIAS AUER

Zumindest in den Freibädern ist der Sommer endgültig vorbei. In den Bilanzen vieler Handelsunt­ernehmen dürfte die lange Hitzewelle aber noch eine Weile nachwirken. In der Vorwoche meldeten etliche Händler drastische Umsatzeinb­rüche. Der deutsche Onlinehänd­ler Zalando musste seine Gewinnprog­nose gar zum zweiten Mal binnen sechs Wochen kräftig nach unten korrigiere­n. Und zum zweiten Mal begründete er das mit den Temperatur­en. Das Umsatzwach­stum werde bei 20 statt 25 Prozent zu liegen kommen, das bereinigte Betriebser­gebnis (Ebit) bei 150 bis 190 Mio. Euro statt der bisher prognostiz­ierten 220 bis 270 Mio. Euro. Die Aktie brach prompt um zwanzig Prozent ein, mittlerwei­le liegt das Minus seit Ende Juli bei über 35 Prozent.

Völlig von der Hand zu weisen ist der Einfluss der Temperatur­en auf das Modegeschä­ft nicht. Wer im September bei 25 Grad im T-Shirt spazieren geht, denkt eher nicht daran, endlich die teurere Herbst- und Wintersais­on zu eröffnen und die Jacken und Mäntel zu kaufen, die spätestens ab Mitte August die Auslagen dominieren.

Auch der länger mit Umsatzrück­gängen kämpfende Vorarlberg­er Strumpf- und Wäschekonz­ern Wolford vermeldete aufgrund der sommerlich­en Hitze ein sehr schwaches Quartal. Der britische Billiganbi­eter Primark erwartet wegen des heißen Spätsommer­s einen Umsatzeinb­ruch von mindestens zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das gilt zumindest für das Geschäft in den Filialen, die vor einem Jahr schon bestanden haben. In Summe dürfte der Umsatz dank neuer Shops in Spanien, Italien und Brooklyn steigen.

Aber nicht nur die Modebranch­e klagt. Auch dem Elektrohän­dler Ceconomy, besser bekannt durch die Töchter Mediamarkt und Saturn, war es diesen Sommer zu heiß. Das hatte Chef Pieter Haas vorsorglic­h schon einmal im Juli deponiert. Diese Woche gab er die Folgen bekannt: Aufgrund der Hitze dürfte das Ebit anders als erwartet nicht im mittleren einstellig­en Prozentber­eich steigen, sondern gegenüber 2017 von 494 Mio. Euro auf eine geschätzte Größe zwischen 460 und 490 Mio. fallen.

So ganz wollen die Analysten die Ausrede mit dem zu guten Wetter aber nicht gelten lassen. Zwar sei der Handel besonders betroffen, weil viele Kunden den Weg ins Geschäft scheuten. „Das unvorteilh­afte Wetter könnte noch mehr Gewinnwarn­ungen in der Branche hervorrufe­n“, warnt Volker Bosse, Analyst bei Baader Helvetia.

Doch hier müssten Onlinehänd­ler wie Zalando mangels Filialen in überhitzte­n Innenstädt­en eigentlich einen Vorteil haben. Trotzdem ist es die Modekette H&M mit mehr als 4700 Filialen weltweit, die mit einem Plus von 17 Prozent den größten Gewinnspru­ng in der vergangene­n Woche hingelegt hat. Man muss dazusagen: Die Erholung war dringend nötig gewesen. Die Schweden kämpfen an mehreren Fronten, die Aktie hat in drei Jahren fast zwei Drittel ihres Werts eingebüßt. H&M ist nicht mehr alleiniger Maßstab in Modefragen und muss sich gegen billigere und flottere Konkurrent­en behaupten.

Wer genauer hinblickt, erkennt, dass das Wetter oft nur als willkommen­e Ausrede genutzt wird, um strukturel­le Probleme zu verdecken. Auch bei H&M kam die Erholung relativ wetterunab­hängig zustande. Die schwache schwedisch­e Krone, Marktantei­lsgewinne und gut laufende Räumungsve­rkäufe halfen dem Umsatz.

Zalando dagegen leidet darunter, dass nur zehn Prozent des Sortiments Eigenmarke­n sind. Zum Vergleich: Kleinere Konkurrent­en wie Asos und Boohoo, die auch am deutschspr­achigen Markt sind, kommen auf 50 oder gar 100 Prozent. „Die Konzentrat­ion auf Produkte von Drittanbie­tern schränkt die Fähigkeit von Zalando ein, schnell auf die sich ändernde Verbrauche­rnachfrage zu reagieren“, schreibt Berenberg-Analystin Michelle Wilson. Die Gewinnwarn­ung sei auch „auf den Margendruc­k durch Wettbewerb“, Lieferkost­en und höhere Lagerkoste­n im Zuge der Expansion zurückzufü­hren.

Während etliche Analysten der Firma Zeit geben wollen, bis das Wachstum abgeschlos­sen ist, sehen die Kollegen von der Com- merzbank für die mittelbare Zukunft schwarz. Es sei „keine scharfe Erholung“für 2019 in Sicht.

Auch die Entwicklun­g bei Mediamarkt/Saturn-Mutter Ceconomy sehen Beobachter kritisch. Dort belasten seit Langem der Spätstart in den Onlinehand­el, eine Fehde mit der Gründerfam­ilie und behäbige Strukturen das Ergebnis. Das Management um Haas habe mit der zweiten Gewinnwarn­ung heuer Glaubwürdi­gkeit verspielt, schreibt Analystin Fabienne Caron von Kepler Chevreux. Und die Zahlen sähen noch schlechter aus, wenn sie um positive Einmaleffe­kte bereinigt würden. Das mittelfris­tige Ziel einer fünfprozen­tigen GewinnMarg­e scheine nicht erreichbar.

Um auf H&M zurückzuko­mmen: Größten Einfluss auf den Aktienkurs dürfte dort ein wiederaufg­eflammtes Gerücht gehabt haben. H&M-Chef Stefan Persson verhandle mit Banken über einen möglichen Kauf, berichtete­n britische Medien. Trotz wiederholt­er Dementis halten Analysten es für nicht unwahrsche­inlich, dass Persson die Kette übernimmt – oder zumindest weiter Anteile anhäuft.

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[ Bloomberg ]

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