Gutes Wetter, schlechte Geschäfte?
Handel. Analysten haben ihre Zweifel: Wenn sich nach dem heißen Sommer unter den Händlern die Gewinnwarnungen häufen, ist nicht nur das Wetter am Minus in den Büchern schuld.
Zumindest in den Freibädern ist der Sommer endgültig vorbei. In den Bilanzen vieler Handelsunternehmen dürfte die lange Hitzewelle aber noch eine Weile nachwirken. In der Vorwoche meldeten etliche Händler drastische Umsatzeinbrüche. Der deutsche Onlinehändler Zalando musste seine Gewinnprognose gar zum zweiten Mal binnen sechs Wochen kräftig nach unten korrigieren. Und zum zweiten Mal begründete er das mit den Temperaturen. Das Umsatzwachstum werde bei 20 statt 25 Prozent zu liegen kommen, das bereinigte Betriebsergebnis (Ebit) bei 150 bis 190 Mio. Euro statt der bisher prognostizierten 220 bis 270 Mio. Euro. Die Aktie brach prompt um zwanzig Prozent ein, mittlerweile liegt das Minus seit Ende Juli bei über 35 Prozent.
Völlig von der Hand zu weisen ist der Einfluss der Temperaturen auf das Modegeschäft nicht. Wer im September bei 25 Grad im T-Shirt spazieren geht, denkt eher nicht daran, endlich die teurere Herbst- und Wintersaison zu eröffnen und die Jacken und Mäntel zu kaufen, die spätestens ab Mitte August die Auslagen dominieren.
Auch der länger mit Umsatzrückgängen kämpfende Vorarlberger Strumpf- und Wäschekonzern Wolford vermeldete aufgrund der sommerlichen Hitze ein sehr schwaches Quartal. Der britische Billiganbieter Primark erwartet wegen des heißen Spätsommers einen Umsatzeinbruch von mindestens zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das gilt zumindest für das Geschäft in den Filialen, die vor einem Jahr schon bestanden haben. In Summe dürfte der Umsatz dank neuer Shops in Spanien, Italien und Brooklyn steigen.
Aber nicht nur die Modebranche klagt. Auch dem Elektrohändler Ceconomy, besser bekannt durch die Töchter Mediamarkt und Saturn, war es diesen Sommer zu heiß. Das hatte Chef Pieter Haas vorsorglich schon einmal im Juli deponiert. Diese Woche gab er die Folgen bekannt: Aufgrund der Hitze dürfte das Ebit anders als erwartet nicht im mittleren einstelligen Prozentbereich steigen, sondern gegenüber 2017 von 494 Mio. Euro auf eine geschätzte Größe zwischen 460 und 490 Mio. fallen.
So ganz wollen die Analysten die Ausrede mit dem zu guten Wetter aber nicht gelten lassen. Zwar sei der Handel besonders betroffen, weil viele Kunden den Weg ins Geschäft scheuten. „Das unvorteilhafte Wetter könnte noch mehr Gewinnwarnungen in der Branche hervorrufen“, warnt Volker Bosse, Analyst bei Baader Helvetia.
Doch hier müssten Onlinehändler wie Zalando mangels Filialen in überhitzten Innenstädten eigentlich einen Vorteil haben. Trotzdem ist es die Modekette H&M mit mehr als 4700 Filialen weltweit, die mit einem Plus von 17 Prozent den größten Gewinnsprung in der vergangenen Woche hingelegt hat. Man muss dazusagen: Die Erholung war dringend nötig gewesen. Die Schweden kämpfen an mehreren Fronten, die Aktie hat in drei Jahren fast zwei Drittel ihres Werts eingebüßt. H&M ist nicht mehr alleiniger Maßstab in Modefragen und muss sich gegen billigere und flottere Konkurrenten behaupten.
Wer genauer hinblickt, erkennt, dass das Wetter oft nur als willkommene Ausrede genutzt wird, um strukturelle Probleme zu verdecken. Auch bei H&M kam die Erholung relativ wetterunabhängig zustande. Die schwache schwedische Krone, Marktanteilsgewinne und gut laufende Räumungsverkäufe halfen dem Umsatz.
Zalando dagegen leidet darunter, dass nur zehn Prozent des Sortiments Eigenmarken sind. Zum Vergleich: Kleinere Konkurrenten wie Asos und Boohoo, die auch am deutschsprachigen Markt sind, kommen auf 50 oder gar 100 Prozent. „Die Konzentration auf Produkte von Drittanbietern schränkt die Fähigkeit von Zalando ein, schnell auf die sich ändernde Verbrauchernachfrage zu reagieren“, schreibt Berenberg-Analystin Michelle Wilson. Die Gewinnwarnung sei auch „auf den Margendruck durch Wettbewerb“, Lieferkosten und höhere Lagerkosten im Zuge der Expansion zurückzuführen.
Während etliche Analysten der Firma Zeit geben wollen, bis das Wachstum abgeschlossen ist, sehen die Kollegen von der Com- merzbank für die mittelbare Zukunft schwarz. Es sei „keine scharfe Erholung“für 2019 in Sicht.
Auch die Entwicklung bei Mediamarkt/Saturn-Mutter Ceconomy sehen Beobachter kritisch. Dort belasten seit Langem der Spätstart in den Onlinehandel, eine Fehde mit der Gründerfamilie und behäbige Strukturen das Ergebnis. Das Management um Haas habe mit der zweiten Gewinnwarnung heuer Glaubwürdigkeit verspielt, schreibt Analystin Fabienne Caron von Kepler Chevreux. Und die Zahlen sähen noch schlechter aus, wenn sie um positive Einmaleffekte bereinigt würden. Das mittelfristige Ziel einer fünfprozentigen GewinnMarge scheine nicht erreichbar.
Um auf H&M zurückzukommen: Größten Einfluss auf den Aktienkurs dürfte dort ein wiederaufgeflammtes Gerücht gehabt haben. H&M-Chef Stefan Persson verhandle mit Banken über einen möglichen Kauf, berichteten britische Medien. Trotz wiederholter Dementis halten Analysten es für nicht unwahrscheinlich, dass Persson die Kette übernimmt – oder zumindest weiter Anteile anhäuft.