„Mir wurde das Tüchtigsein ausgetrieben“
Interview. Alexander Bisenz war zeitweise der populärste Kabarettist Österreichs. Seit Jahren ist er aber auch als bildender Künstler tätig. Ein Gespräch über tricksende Veranstalter, unsinnige Registrierkassen und den Preis des Erfolgs.
Die Presse: Sie waren Anfang der 1990er mit knapp 30 Jahren einer der populärsten Kabarettisten Österreichs. Seit der Jahrtausendwende ist es jedoch sehr ruhig um Sie geworden. Warum? Alexander Bisenz: Ich habe auf dem Zenit meiner Karriere – im Jahr 1993 – 250 Shows gespielt. In Summe waren da 150.000 Zuschauer, also dreimal das HappelStadion. In den Jahren danach habe ich allerdings begonnen, mich für bildende Kunst zu interessieren. Und ich habe dann als Wurbala (die Kunstfigur von Bisenz, Anm.) begonnen, auf der Bühne zu malen. Ich habe einfach die Malstile verarscht, indem ich den Arnulf Rainer oder den Hermann Nitsch nachgemacht habe. Plötzlich wollten die Leute diese Bilder unbedingt kaufen. Und so ist die bildende Kunst mein zweites Standbein geworden, weshalb ich jetzt weniger als Kabarettist mache.
Sagt das nicht viel über den Kunstmarkt aus? Einerseits ist es absurd, ja. Andererseits waren meine Werke ja auch wunderschön. Ich habe in den Jahren darauf dann meinen eigenen Stil gefunden. Und nachdem ich aufgrund des ganzen Stresses einen Magendurchbruch hatte und auch meine Beziehung gescheitert war, habe ich vor 15 Jahren beschlossen, einen neuen Weg zu gehen. Ich spiele heute viel weniger. Und das ist auch gut so.
Der gesundheitliche Preis für den Erfolg war also hoch? Ja. Aber den Preis muss man zahlen. Ich habe einmal zwei Stunden nach einer Operation am Fuß eine Show gespielt, weil es nicht anders gegangen ist. Wir haben 6000 Karten verkauft gehabt. Was soll man da machen? Ich habe den Wurbala mit schmerzverzerrtem Gesicht gespielt. Der war nie besser. Ein anderes Mal bin ich mit 40,3 Grad Fieber auf der Bühne gestanden. Wenn du ganz nach oben willst, ist alles andere zweitrangig. Das ist im Sport auch nicht anders. Ich kenne einige Ex-Profifußballer, die sind ein Wrack. Die haben mehr Nähte als ein Fußball.
Hat sich der Preis für den Erfolg ausgezahlt? Auf jeden Fall. Ich habe als herumtingelnder Zauberer und Feuer- schlucker begonnen, da war das freie Künstlersein einfach vorbestimmt. Ich war nie ein Diplomat, sondern immer eher goschert. Das hat dann auch in meiner Karriere als Kabarettist gut gepasst.
War die Künstlerkarriere geplant oder ist sie passiert? Es ist aus der Not entstanden. Mein Vater, der ebenfalls als Zauberer gearbeitet hat, ist sehr früh gestorben. Ich war damals erst 15. Das Geld war in den Jahren darauf sehr knapp. Immer wieder kamen Gerichtsvollzieher und nahmen Sachen mit. Eines Tages wurden wir auch delogiert. Das wollte ich nie mehr erleben. Meine Rettung war der Prater, bei der Geisterbahn habe ich mein erstes Geld verdient. Damit habe ich ein Moped gekauft und begonnen, in ganz Niederösterreich als Zauberer aufzutreten. Aber auch da musste ich immer auf jeden Schilling schauen. Die Wirte wollten das Geld für die Nacht ja immer im Voraus, weil sie gedacht haben, dass ich nicht zahlen kann. Daher bin ich ein sehr vorsichtiger Mensch geworden. Man soll keine Schulden machen und auch nie mehr ausgeben, als man verdienen kann. Haben Sie heute durch Ihren großen Erfolg Anfang der 1990er-Jahre schon ausgesorgt? Man hat in Österreich nie ausgesorgt. Zumindest dann nicht, wenn man den Hauptwohnsitz hier hat. Ich bin kein Devisenausländer und habe keine Konten in Liechtenstein. Aus heutiger Sicht würde ich manches steuerschonender machen. Das hat zwar eine schiefe Optik, ist aber anscheinend ganz normal. Denn was heute legal ist, hätte man sich vor 20 Jahren nicht träumen lassen. Gleichzeitig werden kleine Unternehmer, wie auch ich einer bin, mit der Registrierkasse oder der Datenschutzverordnung drangsaliert.
Haben Sie eine Registrierkasse? Ja sicher. Im Kabarett wird noch viel bar abgewickelt. Das ist ganz normal, und die Registrierkasse ist dabei ein vollkommener Schwachsinn. Denn wenn eine kleine Gemeinde eine Show kauft, erhalten die eine Rechnung. Ich kriege mein Geld in bar und gebe ihnen eine Quittung. Dann fahre ich nach Hause, gebe alles in die Kassa ein, drucke den Zettel aus und klammere ihn unten an die Rechnung dran. Und der Blödsinn hat mich 1500 Euro gekostet. Das ist für den Hugo.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie zu viel für den Staat gezahlt haben? Ich habe nicht nur zu viel gezahlt, ich kriege ja auch nichts vom Staat. Wir Künstler waren ja den Prostituierten und Rechtsanwälten gleichgestellt und hatten bis 2000 keine verpflichtende Sozialversicherung. Daher wurde bei mir auch die Steuerprogression nicht durch Sozialabgaben reduziert. Jetzt fehlen mir 18 Erwerbsjahre und ich erhalte vom Staat – obwohl ich einen schönen Euro-Millionenbetrag an Steuern gezahlt habe – mit 65 eine Bruttopension von 648 Euro. Als die mir das gezeigt haben, habe ich gefragt: „Am Tag?“
wird 1962 in Wien geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters beginnt er Ende der 1970er seine Karriere als Zauberer. In den 1980erJahren wechselt er ins Kabarett. In seinem erfolgreichsten Jahr, 1993, spielt er nicht nur 250 Shows, sondern ist mit seiner CD „Gnadenlos“auch Nummer eins der Ö3-Charts. Derzeit feiert er sein 40-Jahr-Bühnenjubiläum. Haben Sie Zukunftsängste? Sie haben ja sehr gut verdient. Ängste gibt es bei mir überhaupt nicht. Wovor soll ich Angst haben? Ich hatte Zeiten in meinem Leben, in denen ich mit fast nichts auskommen musste. Ich bin aber vorsichtig und lebe nicht auf besonders großem Fuß. Ich beschwere mich auch nicht, ich glaube nur, dass wir alle für dumm verkauft werden. Mir haben sie das Tüchtigsein so ausgetrieben. Und das verstehe ich auch bei anderen. Wenn du nicht so gut gebildet bist und einen Hilfsarbeiterjob hast, kriegst du 950 Euro. Wenn du zu Hause bleibst, kriegst du 875 Euro (Mindestsicherung, Anm.). Für 75 Euro geht keiner 40 Stunden die Woche hackeln. Da kriegt er ja in der Wäscherei in Stein an der Donau mehr. Was will dieser Staat?
Jedenfalls Steuern einnehmen. Das ist grundsätzlich ja okay. Aber ein Beispiel: Ich hatte ein Projekt, bei dem ich ein von mir geschriebenes Buch vor etwa 70 Leuten persönlich vortragen und noch ein bisschen die Geschichten dahinter erzählen wollte. Ganz nah beim Bisenz sozusagen. Die Kunden sollten 70 Euro zahlen und dafür das Ticket, das Buch und die dazugehörende DVD erhalten. Super Idee, nur leider habe ich da drei Mehrwertsteuersätze. Das Buch hat zehn Prozent, die DVD 20, und wenn ich dir die Geschichte erzähle, 13 Prozent. Was soll das? Wir machen es jetzt so, dass die Gäste die Karten kaufen und ich ihnen das Buch und die DVD schenke.
Es wird einem nicht leicht gemacht. Leicht? Ich will es nicht leicht, ich will es normal.
Sie haben einmal gesagt: „In mir fließt jüdisches Blut. Ich bin ein Künstler, der rechnen kann.“Ist das so ungewöhnlich? Ja. Und die Veranstalter mögen das überhaupt nicht. In dem Geschäft wird oft genug versucht, dich übers Ohr zu hauen. Ich habe daher 2004 auch mein eigenes Management übernommen. Das nervt zwar sehr, bringt aber viel. In den 14 Jahren habe ich nur zwei Gagenausfälle gehabt. Ich lasse etwa von einem Mitarbeiter vor der Show immer die Sessel im Veranstaltungssaal durchzählen. Denn es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass 200 bis 300 Sessel mehr dringestanden sind, als der Veranstalter am Ende abrechnen wollte. Da habe ich ihn dann gehabt, weil damit hat er nicht gerechnet. Mir ist klar, dass unser Geschäft etwas mit Prostitution zu tun hat. Aber es ist günstig, wenn man dabei sein eigener Zuhälter ist.