Die Presse

Rechtsprak­tikanten bitte warten: Tirol stoppt Aufnahme für Monate

Gerichtsja­hr. Aus budgetären Gründen lässt OLG-Präsident Schröder erst ab Dezember wieder Jusabsolve­nten zur Praxis bei Gericht zu.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

In Tiroler Justizkrei­sen macht wieder das Wort vom Aufnahmest­opp für Rechtsprak­tikanten die Runde. Nachdem es im Frühjahr so ausgesehen hatte, dass in ganz Österreich etliche Jusabsolve­nten aus Budgetgrün­den ihr Gerichtsja­hr nicht antreten können, fanden Justiz- und Finanzmini­sterium doch noch eine Lösung und verkündete­n, dass der – manchen bereits mitgeteilt­e – Aufnahmest­opp vom Tisch sei. Ganz stimmt das aus heutiger Sicht jedoch nicht: In Tirol werden im Oktober und November gar keine Rechtsprak­tikanten aufgenomme­n und im Dezember genau zwölf; alle weiteren Interessen­ten müssen auf nächstes Jahr warten.

Das bestätigt Klaus Schröder, Präsident des Oberlandes­gerichts Wien, auf Anfrage der „Presse“. Schröder begründet diese Maßnahme mit der „schwierige­n budgetären Situation“. Er sei, wie alle vier OLG-Präsidente­n, vom Ministeriu­m angehalten worden zu sparen und sehe keine andere Möglichkei­t, als den Aufwand für die Rechtsprak­tikanten ins Jahr 2019 zu verschiebe­n. „Ich riskiere für nächstes Jahr eine riesige Budgetüber­schreitung, wenn der Ansturm weiter so groß ist“, sagt Schröder. Er vertraue jedoch auf die Zusagen von Justiz- und Finanzmini­sterium, dass der Aufwand aus Rücklagen gedeckt werden könne.

Jusabsolve­nten haben einen Rechtsansp­ruch darauf, das siebenmona­tige Gerichts- jahr anzutreten; es ist zwingende Voraussetz­ung für die juristisch­en Kernberufe Richter, Staatsanwa­lt, Anwalt und Notar. Eine vorübergeh­end geplante Verkürzung auf nur noch fünf Monate wurde nach heftigen Protesten aus der Justiz abgesagt. Die Rechtsprak­tikanten können bei den Gerichten wertvolle Unterstütz­ung leisten, brauchen dafür aber eine gewisse Einarbeitu­ngszeit.

Schröder: Verzögerun­g „relativ harmlos“

Nachdem im März die Zahl der Rechtsprak­tikanten österreich­weit mit 992 den bisherigen Höchststan­d der Jahre 2017 und 2018 erreicht hat, ist sie bis August auf 655 zurückgefa­llen, den niedrigste­n Stand dieses Zeitraums. Traditione­ll nimmt der Andrang im Herbst jedoch zu, und es steht fest, dass etliche Jungjurist­en in Tirol einige Monate auf den Start in den gelernten Beruf warten müssen. Vermutlich sind es einige Dutzend; im ganzen OLG-Sprengel sind maximal 120 Rechtsprak­tikanten im Einsatz. Schröder hält diese Wartezeit für „relativ harmlos“; in Vorarlberg, das auch zu seinem Sprengel gehört, würden Rechtsprak­tikanten traditione­ll überhaupt nur quartalswe­ise aufgenomme­n.

Christian Pilnacek, Generalsek­retär im Justizmini­sterium, zieht den Rechtsansp­ruch aufs Gerichtsja­hr zwar nicht in Zweifel – „aber nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt“. Die Innsbrucke­r Budgetnöte führt er auf eine Überschrei­tung des Haushalts durch Ausgaben für Fortbildun­g zurück.

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