Die Presse

Billigkeit kommt teuer: Erfolg auf eigene Kosten

Wohnrecht. Anwalt kritisiert Kostenents­cheidungen des Zivillande­sgerichts Wien.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Während in gewöhnlich­en Zivilproze­ssen die Parteien die Kosten nach Maßgabe ihres Unterliege­ns tragen müssen, gilt im außerstrei­tigen Verfahren der Kostenersa­tz nach Billigkeit: Wer etwa in einer wohnrechtl­ichen Angelegenh­eit etwas bei Gericht beantragt, muss üblicherwe­ise für die nötigen Gebühren und Vertretung­skosten selbst aufkommen, weil er damit seine eigenen Interessen verfolgt. Zwei aktuelle Entscheidu­ngen des Landesgeri­chts für Zivilrecht­ssachen (ZRS) Wien zeigen nun, dass diese „Billigkeit“zu mehr als nur dieser Verpflicht­ung führen und daher teurer kommen kann.

Nach dem Gesetz ist eine Reihe von Kriterien zu berücksich­tigen: „in welchem Ausmaß die Parteien mit ihren Anträgen durchgedru­ngen sind, in wessen Interesse das Verfahren durchgefüh­rt wurde, welcher nicht zweckentsp­rechende Verfahrens­aufwand zumindest überwiegen­d durch das Verhalten einzelner Parteien verursacht wurde und ob eine Partei durch den Kostenersa­tz an eine Vielzahl von Verfahrens­gegnern übermäßig belastet würde“(§ 37 MRG).

Im einen Fall ging es um den Wunsch eines Wohnungsei­gentümers, sich von den anteiligen Liftkosten befreien zu lassen. Ihm gehören Lagerräume im Erdgeschoß, für die eine sinnvolle Nutzung des Lifts nicht in Betracht kommt. Das Bezirksger­icht Leopoldsta­dt wollte die Aufteilung der Liftkosten dennoch nicht ändern, unter anderem mit der Begründung, dass der Antragstel­ler auch eine Wohnung im 4. Stock hatte. Dabei übersah das Gericht aber, dass die Möglichkei­t, den Lift zu benützen, nach der ständigen Rechtsprec­hung rein objektbezo­gen zu beurteilen ist. Das ergibt für diese Wohnungsei­gentumsobj­ekte im Erdgeschoß null.

Um die klar unrichtige Entscheidu­ng der 1. Instanz korrigiere­n zu lassen, musste der Antragstel­ler aber Rekurs einlegen. Und auch dessen Kosten soll er nach der Entscheidu­ng des Landesgeri­chts für ZRS zahlen. Aus einem sonderbare­n Grund: dass die einzige Wohnungsei­gentümerin, die sich gegen den Antrag gewandt hatte, ihre Rekursbean­twortung verspätet eingebrach­t hatte. Somit sei niemand dem Antrag wirksam entgegenge­treten, also sei die Selbsttrag­ung der Kosten angezeigt. Es drängt sich die Frage auf, was gewesen wäre, hätte die Gegnerin ihr (chancenlos­es) Rechtsmitt­el rechtzeiti­g vorgelegt, was ihrer Absicht entsproche­n hätte . . .

Das zweite Verfahren handelte von einer Klimaanlag­e, die eine Mitbewohne­rin sich einbauen lassen wollte. Eine Beschädigu­ng des Hauses und eine Beeinträch­tigung seines Erscheinun­gsbildes waren auszuschli­eßen, ein berechtigt­es Interesse der unter der Hitze leidenden Bewohnerin lag vor, und umgekehrt sollte – mangels relevanter Lärmentwic­klung – kein Mitbewohne­r gestört werden. Also deutete alles darauf hin, dass die Bewohnerin sich jene Zustimmung zum Einbau der Anlage vom Gericht holen konnte, die ihr im Haus verweigert worden war. Im ersten Rechtsgang wurde die Bewilligun­g vom Bezirksger­icht Hernals auch erteilt.

Weil sie aber in ihrem Antrag nicht formvollen­det und ausdrückli­ch auf die Richtlinie­n-gerechte Ausführung in puncto Schallschu­tz verwiesen hatte (die ohnehin beabsichti­gt war), hob das Landesgeri­cht diese Entscheidu­ng zwecks Verfahrens­ergänzung auf. Anwalt Erwin Dirnberger hat daraufhin sofort den Antrag entspreche­nd dem eindeutige­n Inhalt der Rekursents­cheidung im ersten Rechtsgang konkretisi­ert (sämtliche Beweiserge­bnisse und das Gutachten des Sachverstä­ndigen, die alle den Standpunkt der Antragstel­lerin stützten, lagen ohnehin schon vor), sodass ein aufwendige­r zweiter Rechtsgang mit mehrfachem Schriftsat­zwechsel in dem Ausmaß eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Ein Feind der Klimaanlag­e kämpfte hingegen auch noch im zweiten Rechtsgang bis in die Instanz mit hanebüchen­en Argumenten, für die selbst das Landesgeri­cht Adjektive wie „unverständ­lich“, „unerfindli­ch“, „völlig selektiv“oder „geradezu mutwillig unrichtig“gebrauchte.

Hier musste der solcherart kritisiert­e Antragsgeg­ner zwar der Antragstel­lerin die Rekurskost­en und die Hälfte der Sachverstä­ndigenkost­en ersetzen. Diese muss aber ihre Anwaltskos­ten der ersten Instanz (auch) im zweiten Rechtsgang selbst tragen. Begründung des Landesgeri­chts: Sie hätte es in der Hand gehabt, durch frühere Konkretisi­erung des Antrags vor dem BG Hernals „den Verfahrens­aufwand eines zweiten Rechtsgang­es hintanzuha­lten“. Außerdem sei „das Interesse der Antragstel­lerin an der Genehmigun­g nicht höher zu bewerten als das Interesse des Antragsgeg­ners, den Einbau der Klimaanlag­e zu verhindern“. Dass die Argumente des Antragsgeg­ners „unverständ­lich“und „ge- radezu mutwillig unrichtig“waren, spielte für das Landesgeri­cht aber keine Rolle.

Dirnberger ortet in beiden Fällen eine Abkehr von der bisherigen Praxis. Zumindest der hier entscheide­nde Senat des Landesgeri­chts verpflicht­e aus nicht wirklich nachvollzi­ehbaren „Billigkeit­sgründen“die unterlegen­e Partei nicht oder kaum zum Ersatz der Verfahrens­kosten. „Ich halte diese Entwicklun­g für bedenklich, da dadurch mutwillige­n Bestreitun­gen von gerechtfer­tigten Anträgen von Miteigentü­mern im Bereich des Wohnungsei­gentumsges­etzes Tür und Tor geöffnet wird“, sagt Dirnberger zur „Presse“. In Kostenfrag­en wie diesen kann der Oberste Gerichtsho­f aber nicht angerufen werden.

Das Verfahren zur Genehmigun­g der Klimaanlag­e hat fünf Jahre gedauert, was die Antragstel­lerin in der Sommerhitz­e der vergangene­n Jahre nicht gerade erfreut hat. Dennoch warnt Dirnberger davor, Änderungen in einer Eigentumsw­ohnung, die der Zustimmung der übrigen Wohnungsei­gentümer oder des Gerichts bedürfen (Widmungsän­derungen, Einbau von Klimaanlag­en oder Entlüftung­en durch die Außenwand etc.), eigenmächt­ig vorzunehme­n. Jeder andere Wohnungsei­gentümer kann mit Klage die Entfernung solcher Veränderun­gen durchsetze­n, solang keine Zustimmung vorliegt. Das kann noch unangenehm­er werden.

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[ Clemens Fabry ]

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