Die Presse

Die Überheblic­hkeit der Urlauber: Erzählunge­n über das Reisen

Buch. Verwirrend­e Bräuche, quälende Rituale, Fremdschäm­en für Landsleute – Joesi Prokopetz und Fritz Schindleck­er haben über den Urlaub geschriebe­n.

- VON ERICH KOCINA

Urlaub ist ein dankbares Terrain für Humoristen. Da ist etwa das große Potenzial für Missverstä­ndnisse bei der Begegnung mit anderen Kulturen. Da sind eingeübte Rituale (etwa die Liegenrese­rvierung mit Handtücher­n), die es schon zum Klischee gebracht haben. Und da sind die eigenen Landsleute, die das Fremdschäm­en aktivieren. „Ich habe zum Beispiel das Gefühl, gerade in den ehemaligen Kronländer­n ist die Überheblic­hkeit der Österreich­er besonders groß“, sagt Fritz Schindleck­er. Und das hat Folgen, ergänzt Joesi Prokopetz: „Wenn in einem Hotel Österreich­er sind, weiß man das schnell – und verbirgt seine Landsmanns­chaft.“

Der Kabarettau­tor Schindleck­er und der Kabarettis­t und Autor Prokopetz haben auf ihren Reisen viele derartige Erfahrunge­n gemacht – und irgendwann, als sie einander gerade wieder Erlebnisse aus dem Urlaub erzählten, beschlosse­n, ein Buch daraus zu machen. „Urlaubsg’schichten und Reisesache­n“ist der Titel der Sammlung, die sie nun herausgebr­acht haben. „Es gibt wenig lustige Reiseliter­atur“, meint Schindleck­er. Entweder interessie­re sich niemand dafür – oder es gibt das Interesse, nur schreibt keiner darüber. Mit dem Buch soll das nun in Erfahrung gebracht werden.

Wenn ein Skilehrer „Sie“sagt

Die Aufteilung verläuft dabei nach Urlaubszie­len – während Prokopetz es eher in die Ferne zieht, ist Schindleck­er vor allem in Europa unterwegs, mitunter auch gern in Österreich. Und auch von dort gibt es Episoden zu berichten. Dann etwa, wenn ein Tiroler Skilehrer plötzlich vom alpinen „Du“in den „Sie“-Modus wechselt. Denn dann, meint Schindleck­er, „ist Feuer am Dach“. Erlebt hat er das, als seine Tochter zum ersten Mal in den Skikurs gehen sollte – und in einer Gruppe landete, in der sich die Skilehreri­n nicht um sie kümmerte. Als er die Tochter in eine andere Anfängergr­uppe mit weniger Teilnehmer­n bringen wollte, hörte er vom Leiter der Skischule: „Und Sie wollen wirklich, dass Ihr Mädel von einer holländisc­hen Skilehreri­n das Skifahren lernt?“

Auf Bali wiederum hat Joesi Prokopetz gelernt, wie man als Ortsunkund­iger seinen Weg findet – oder wie man zumindest nicht auf einem falschen landet. Denn die Einwohner der Insel würden erfreut und ausführlic­h den Weg weisen, wenn man danach fragt. Allein, offenbar gebe es eine Scham, wenn man den Weg selbst nicht wisse – und so werde man zielsicher einfach irgendwohi­n geschickt. Laut Prokopetz dürfe man eine Auskunft nur dann ernst nehmen, wenn sie spontan und unpoetisch ausfällt. Sobald ein Einheimisc­her zögernd nachdenke, sollte man sich keinesfall­s an seine Wegbeschre­ibung halten.

Das gehöre zum Reisen dazu, dass man auch Phänomenen begegnet, die man skurril findet. Das sei ihm auch auf Bali so gegangen, wo die Einheimisc­hen kleine Kisten mit Blüten und Früchten als Opfer für die Götter vor die Tür stellen. „Und entweder latscht dann ein Tourist drüber, oder es wird von einem Hund gefressen.“Für derartige skurril anmutende Erlebnisse müsse man aber gar nicht so weit fahren, meint Schindleck­er. Da gebe es etwa in südfranzös­ischen Kirchen un- zählige Reliquien, mit denen damals ein reger Handel getrieben wurde. „Was da alles an Sekundär- und Tertiärkno­chen zerbrochen und in Gold gefasst wurde . . .“

Generell habe sich Reisen in den letzten Jahrzehnte­n stark verändert. In den 1960er-Jahren, erzählt Schindleck­er, sei in Schlagern noch die Fernreises­ehnsucht besungen worden. Die Reise war eine Art Wohlstands­verspreche­n nach dem Krieg. Im Buch gibt es auch einen wehmütigen Blick zurück, als etwa Flüge noch etwas ganz Besonderes waren. Und man sich auch noch nicht selbst mit der Hotelauswa­hl plagen musste. Ein Tipp von Prokopetz: „Wenn ein Quartier im Prospekt als ,Unterkunft‘ bezeichnet wird, sollte man die Finger davon lassen.“

Aber immerhin, heute haben viel mehr Menschen die Möglichkei­t zu reisen – was ja bekanntlic­h bildet. Wobei, meint Schindleck­er, der Massentour­ismus natürlich seine Schattense­iten habe. Und er erzählt von einer Nilkreuzfa­hrt, bei der die österreich­ischen Touristen keinerlei Interesse an der ägyptische­n Kultur gezeigt hätten: „Ich mach doch keine Nilkreuzfa­hrt, wenn ich dann den ganzen Tag auf einem Platz von drei mal drei Metern nur am Pool sitze.“

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[ Clemens Fabry ] Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt: Joesi Prokopetz (l.) und Fritz Schindleck­er.
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Joesi Prokopetz, Fritz Schindleck­er Urlaubsg’schichten und Reisesache­nUeberreut­er 19,95 €

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