Die Überheblichkeit der Urlauber: Erzählungen über das Reisen
Buch. Verwirrende Bräuche, quälende Rituale, Fremdschämen für Landsleute – Joesi Prokopetz und Fritz Schindlecker haben über den Urlaub geschrieben.
Urlaub ist ein dankbares Terrain für Humoristen. Da ist etwa das große Potenzial für Missverständnisse bei der Begegnung mit anderen Kulturen. Da sind eingeübte Rituale (etwa die Liegenreservierung mit Handtüchern), die es schon zum Klischee gebracht haben. Und da sind die eigenen Landsleute, die das Fremdschämen aktivieren. „Ich habe zum Beispiel das Gefühl, gerade in den ehemaligen Kronländern ist die Überheblichkeit der Österreicher besonders groß“, sagt Fritz Schindlecker. Und das hat Folgen, ergänzt Joesi Prokopetz: „Wenn in einem Hotel Österreicher sind, weiß man das schnell – und verbirgt seine Landsmannschaft.“
Der Kabarettautor Schindlecker und der Kabarettist und Autor Prokopetz haben auf ihren Reisen viele derartige Erfahrungen gemacht – und irgendwann, als sie einander gerade wieder Erlebnisse aus dem Urlaub erzählten, beschlossen, ein Buch daraus zu machen. „Urlaubsg’schichten und Reisesachen“ist der Titel der Sammlung, die sie nun herausgebracht haben. „Es gibt wenig lustige Reiseliteratur“, meint Schindlecker. Entweder interessiere sich niemand dafür – oder es gibt das Interesse, nur schreibt keiner darüber. Mit dem Buch soll das nun in Erfahrung gebracht werden.
Wenn ein Skilehrer „Sie“sagt
Die Aufteilung verläuft dabei nach Urlaubszielen – während Prokopetz es eher in die Ferne zieht, ist Schindlecker vor allem in Europa unterwegs, mitunter auch gern in Österreich. Und auch von dort gibt es Episoden zu berichten. Dann etwa, wenn ein Tiroler Skilehrer plötzlich vom alpinen „Du“in den „Sie“-Modus wechselt. Denn dann, meint Schindlecker, „ist Feuer am Dach“. Erlebt hat er das, als seine Tochter zum ersten Mal in den Skikurs gehen sollte – und in einer Gruppe landete, in der sich die Skilehrerin nicht um sie kümmerte. Als er die Tochter in eine andere Anfängergruppe mit weniger Teilnehmern bringen wollte, hörte er vom Leiter der Skischule: „Und Sie wollen wirklich, dass Ihr Mädel von einer holländischen Skilehrerin das Skifahren lernt?“
Auf Bali wiederum hat Joesi Prokopetz gelernt, wie man als Ortsunkundiger seinen Weg findet – oder wie man zumindest nicht auf einem falschen landet. Denn die Einwohner der Insel würden erfreut und ausführlich den Weg weisen, wenn man danach fragt. Allein, offenbar gebe es eine Scham, wenn man den Weg selbst nicht wisse – und so werde man zielsicher einfach irgendwohin geschickt. Laut Prokopetz dürfe man eine Auskunft nur dann ernst nehmen, wenn sie spontan und unpoetisch ausfällt. Sobald ein Einheimischer zögernd nachdenke, sollte man sich keinesfalls an seine Wegbeschreibung halten.
Das gehöre zum Reisen dazu, dass man auch Phänomenen begegnet, die man skurril findet. Das sei ihm auch auf Bali so gegangen, wo die Einheimischen kleine Kisten mit Blüten und Früchten als Opfer für die Götter vor die Tür stellen. „Und entweder latscht dann ein Tourist drüber, oder es wird von einem Hund gefressen.“Für derartige skurril anmutende Erlebnisse müsse man aber gar nicht so weit fahren, meint Schindlecker. Da gebe es etwa in südfranzösischen Kirchen un- zählige Reliquien, mit denen damals ein reger Handel getrieben wurde. „Was da alles an Sekundär- und Tertiärknochen zerbrochen und in Gold gefasst wurde . . .“
Generell habe sich Reisen in den letzten Jahrzehnten stark verändert. In den 1960er-Jahren, erzählt Schindlecker, sei in Schlagern noch die Fernreisesehnsucht besungen worden. Die Reise war eine Art Wohlstandsversprechen nach dem Krieg. Im Buch gibt es auch einen wehmütigen Blick zurück, als etwa Flüge noch etwas ganz Besonderes waren. Und man sich auch noch nicht selbst mit der Hotelauswahl plagen musste. Ein Tipp von Prokopetz: „Wenn ein Quartier im Prospekt als ,Unterkunft‘ bezeichnet wird, sollte man die Finger davon lassen.“
Aber immerhin, heute haben viel mehr Menschen die Möglichkeit zu reisen – was ja bekanntlich bildet. Wobei, meint Schindlecker, der Massentourismus natürlich seine Schattenseiten habe. Und er erzählt von einer Nilkreuzfahrt, bei der die österreichischen Touristen keinerlei Interesse an der ägyptischen Kultur gezeigt hätten: „Ich mach doch keine Nilkreuzfahrt, wenn ich dann den ganzen Tag auf einem Platz von drei mal drei Metern nur am Pool sitze.“