Die Presse

Wiener wandern auf schwedisch­en Spuren

Philharmon­iker. Herbert Blomstedt eröffnete die Saison mit Symphonien von Berwald und Dvoˇr´ak eindrucksv­oll.

- VON WALTER DOBNER

Wenigstens hierzuland­e führt der ein Jahr vor Schubert geborene, im Todesjahr Rossinis verstorben­e Franz Berwald ein Schattenda­sein. Ob sich das mit Bezeichnun­gen wie „Schwedisch­er Schubert“oder „Schwedisch­er Rossini“hätte verhindern lassen? Berwald ist jedenfalls Schwedens bedeutends­ter Komponist, noch dazu mit einer besonders originelle­n Biografie. Als Geiger und Bratscher in der Königliche­n Kapelle in Stockholm setzte er die Tradition seines Vaters fort, versuchte dann eine Karriere als Komponist. Ob er sich diesen Wunsch hätte rascher erfüllen können, wäre er länger in Wien geblieben? Hier bekam Berwald, der zuvor in Berlin eine orthopädis­che Anstalt geführt hatte, Anerkennun­g – und heiratete.

Schließlic­h zog es ihn zurück nach Schweden, wo er nach Episoden als Leiter von Ziegeleien am Ende doch die ersehnte Anerkennun­g als Komponist fand. An Originalit­ät mangelt es ihm nicht, wie seine posthum uraufgefüh­rte Dritte Symphonie („Singuli`ere“) beweist. Ein dreisätzig­es Werk, hinter dem sich tatsächlic­h vier Sätze verbergen: Kaum hat das von pastoralem Reiz bestimmte Adagio Fahrt aufgenomme­n, wird es von einem lebhaften Scherzo abgelöst, das wieder in das ursprüngli­che Adagio mündet. Und hört man in das diese C-Dur-Symphonie beschließe­nde Presto genauer hinein, wird man unschwer seine thematisch­e Bekanntsch­aft mit dem von zumeist liedhaftem Gestus bestimmten Stirnsatz erkennen.

Zu jenen, die sich lebenslang intensiv mit dem Werk Franz Berwalds auseinande­r- gesetzt haben, zählt der nach wie vor von unbändiger Energie und mitreißend­em Elan erfüllte Doyen unter den Dirigenten, der 91-jährige Herbert Blomstedt. Er hat mit Berwalds Dritter das erste Philharmon­ische dieser Saison eröffnet. Wohl eine philharmon­ische Premiere, wenngleich das Orchester die Schön- wie Eigenheite­n dieser Partitur mit einer Selbstvers­tändlichke­it sonderglei­chen realisiert­e, mit brillant bewältigte­n Übergängen und kantablem Schmelz, wie es auf keiner der Einspielun­gen dieses Werks annähernd erreicht wird.

Pastorale Attitüde atmet auch Anton´ın Dvorˇaks´ Siebente, namentlich in den beiden ersten Sätzen. Sie hinterließ­en in Blomsteds erneut auf Natürlichk­eit des Ausdrucks und moderate Tempi setzenden Interpreta­tion den stärksten Eindruck. Exemplaris­ch, wie er das einleitend­e Allegro maestoso in weitem Bogen disponiert­e. Ebenso beeindruck­end, wie blühend sich das zuweilen von grüblerisc­her Melancholi­e durchzogen­e Melos des langsamen Satzes entfaltete. Kraftvoll arbeitete Blomstedt die Widerborst­igkeit des Scherzos, das zuweilen militante Züge annahm, heraus. Etwas mehr Leichtigke­it und Eleganz hätte man sich auch für dessen Trio gewünscht.

Dirigent und Orchester, die mit diesem Programm auf eine kurze Tournee gehen, ehe sie sich damit erneut in Wien präsentier­en, ließen sich die effektvoll­en Möglichkei­ten des Schlusssat­zes nicht entgehen, versteht es Blomstedt doch wie wenige, das Orchester mit betont knapper Gestik zu animieren, seine Stärken frei auszuspiel­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria