Die Presse

Er macht alles, und das schon immer

Kulturerbe. Oswald Oberhuber (87), ein Urgestein der österreich­ischen Kunstszene, ist der Grandseign­eur der Postmodern­e. Sein Credo ist die Vermeidung des Stils.

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Seine Technik? Sein Stil? Schnüren, vergipsen, zerwuzeln, zerschlage­n, zerschneid­en, nageln, schweißen, sägen, nähen, schrauben, überfahren, und zwar mit dem Auto – Oswald Oberhuber hat aus (fast) allem und mit (fast) allem Skulpturen gemacht, schon als Gewerbesch­üler in der direkten Nachkriegs­zeit in Innsbruck habe er zu Hause am Dachboden informelle Objekte aus Gips, Papier, Draht, Karton etc. in Massen hergestell­t, erzählt er. Mit der Malerei und Zeichnung ist es ähnlich bestellt, bis heute kringelt und reißt und schneidet und aquarellie­rt und konstruier­t und klebt er, malt Zahlen und Buchstaben, total abstrakt und total figurativ, pastellige Porträts von Kindern und, ja, von Zähnen und Flamingos. Er machte alles. Und das schon immer. Darauf legt er auch Wert. Natürlich war er auch Professor, Rektor, Ausstellun­gsmacher und Galerielei­ter. Wen sollte man für die Kategorie „Kulturelle­s Erbe“bei der „Austria 2018“also sonst nominieren (und wählen natürlich)?

„Ossi“Oberhuber ist ein Urgestein der Wiener Kunstszene, das darf man ihn mit seinen 87 Jahren schon nennen. In der Jugend beeinfluss­t von der französisc­hen klassische­n Moderne, ging der 1931 in Meran geborene Ex-Ministrant, der schnitzte wie kein anderer, an die Wiener Kunstakade­mie, um dort „eine Stunde“, wie er sagt, bei Wotruba zu studieren (und dann in Stuttgart bei Willi Baumeister). Mit 25 Jahren schon schrieb er das Manifest der „Permanente­n Veränderun­g in der Kunst“, in dem er die Abkehr von jeglichem Stil forderte. Stil sei etwas, das man um jeden Preis vermeiden müsse – das Credo der Postmodern­e. Viele hätten das als eine „Krise der Kunst“aufgefasst, dabei sei diese Freiheit doch der eigentlich­e Gewinn der Moderne, sagt er. Jeder kopiere jeden, alles werde immer schneller, und das werde sogar noch zunehmen, ist er sich sicher.

Seine große Retrospekt­ive 2016 im heutigen Belvedere 21 (ehemals 21er-Haus) hat gezeigt, wie zeitgenöss­isch, wie frisch sein großes, so vielgestal­tiges Werk immer noch ist. Schon 1972 war Oberhuber gemeinsam mit Hans Hollein offizielle­r Vertreter Österreich­s bei der Biennale von Venedig, 1977 und 1983 hat er an der Documenta teilgenomm­en.

Aber auch als Ausstellun­gsmacher war Oberhuber tätig, zuletzt 2009, ebenfalls im Belvedere, in der Orangerie, wo er Prinz Eugen als barocken Konzeptkün­stler umkreiste. Als legendärer Berater und dann Leiter der Galerie nächst St. Stephan, die er von Monsignore Otto Mauer übernahm, brachte er von 1964 bis 1992 (dann habe er an Rosemarie Schwarzwäl­der übergeben, sagt er) internatio­nale Künstler wie Joseph Beuys, Mario Merz, Fred Sandback, Agnes Martin oder Gerhard Richter nach Wien.

Immer hat Oberhuber eine Meinung, sie passt durchaus nicht immer allen. Klimt? Wiener Aktionismu­s? Alle überschätz­t, meint er. Mit seiner Haltung prägte er auch die Kulturpoli­tik. Gleich zweimal war er Rektor der Wiener Angewandte­n, 1979 bis 1987 sowie 1991 bis 1995, er rief damals u. a. den heute renommiert­en Oskar-Kokoschka-Preis ins Leben. (sp)

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[ APA/Gindl ]

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