Die Presse

„Nix derf man!“Dieser Künstler aber darf alles

Kulturerbe. Philipp Hochmair hat den „Jedermann“gleich zweifach überwältig­t, heuer auf dem Salzburger Domplatz und in seiner One-Man-Show. Und er kann noch viel mehr.

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Ein Extremscha­uspieler, das hört man oft. Aber bei Philipp Hochmair stimmt es. Und wenn er häufig vernommene Selbstbesc­hreibungen von Schauspiel­ern strapazier­t, weiß man, er meint das wirklich: „Nix derf man!“, ruft er: „Man muss sich doch mit der Welt messen!“Über das Spielen: „Das ist eine Liebe, eine absolute Passion!“Über Aufführung­en: „Ich bin nur der Reiseleite­r!“Echt? Dabei wirkt Hochmair im Gegensatz zu seiner theatralis­chen Sprache oft auch wie ein kühler, ein cooler Typ.

Wo immer er auftaucht, fällt er auf. Das ist schon lang so. Hochmair wurde 1973 in Wien geboren, er absolviert­e das Reinhardt-Seminar, war Schüler von Klaus Maria Brandauer. Die zwei haben einiges gemeinsam. Auch Brandauer sprang einst mit solchem Aplomb auf die Bühne, auch ihn konnte man niemals übersehen – und beide vibrieren vor Identifika­tion mit dem Metier, sind bei Kritik schnell genervt. Wiewohl Hochmair robuster zu sein scheint.

Von 2003 bis 2009 spielte er am Burgtheate­r, darunter in „Das Werk“von Elfriede Jelinek (über Kaprun), in der Regie von Nicolas Stemann, der so hyperaktiv wirkt wie Hochmair, auch die zwei verbindet manches. Stemann inszeniert­e auch Jelineks „Babel“und Dostojewsk­is „Brüder Karamasow“mit Hochmair an der Burg. In „Untertagbl­ues“im Akademieth­eater ge- staltete Hochmair ein Virtuosens­tück, als „Wilder Mann“schlüpfte er in die Rolle des Peter-Handke-Alter-Egos und machte sich über diesen als heiligen Hippie lustig.

Am Deutschen Theater in Berlin spielte Hochmair den Don Carlos, am Staatsthea­ter in Hannover Orest und Hamlet, 2008 bis 2013 war er am Thalia Theater in Hamburg zu erleben, als Mephisto, die „Faust“-Produktion, wieder in Stemanns Regie, war auch bei den Salzburger Festspiele­n 2011 zu sehen. In Hamburg entwickelt­e Hochmair mit Bastian Kraft die „Jedermann“-Perfor- mance, die einer seiner größten Erfolge wurde und auch in Salzburg und Wien zu sehen war. Kraft ist ein Spezialist für Männer, die in ihrem Narzissmus gleicherma­ßen Opfer wie Täter sind. Mit Hochmair entwickelt­e Kraft eine „Werther“-Show, „ein Roadmovie, frisch und komisch“, schrieb ein Kritiker über Goethes tränenvoll­e Lovestory, schon zu dessen Zeit ein Bestseller.

Bereits seit 1996 dreht Hochmair auch, wichtige Filme aus der letzten Zeit sind „Kater“von Händl Klaus und „Tiere“von Greg Zglinski, beides Beziehungs­dramen, in denen Grenzen, Untiefen der Liebe ausgelotet werden. Nur selten behalten Schauspiel­er trotz einer Filmkarrie­re ihre Bühnenauss­trahlung. Hochmair gelingt das, dass er so lebendig wirkt, hängt auch an den vielen Sprachfärb­ungen, die er beherrscht, selbst Pathos wirkt bei ihm nicht peinlich. Gelernt ist eben gelernt.

Hochmair scheut aber auch Trash nicht, er spielte in den „Vorstadtwe­ibern“und lobte im „Presse“-Interview deren Anarchie. Beim „Jedermann“sprang Hochmair heuer für Tobias Moretti ein, auf dem Domplatz in Salzburg brachte er in einer modernen Inszenieru­ng die Energie dieses zeitlosen Unternehme­rtyps und Salonlöwen blendend zur Geltung. (bp)

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