Die Presse

Energiestr­ategie: Kümmert euch um wahre Probleme!

Kritische Bemerkunge­n zu „Mission203­0“, dem Klima- und Energiestr­ategiepapi­er der österreich­ischen Bundesregi­erung.

- VON GERO VOGL

Nur noch eine kleine Meldung war die Nachricht der „Presse“am 4. September wert: Österreich hat in Brüssel noch einmal gegen das britische Projekt eines neuen Atomkraftw­erks in Hinkley Point geklagt, obwohl die vor drei Jahren eingebrach­te Klage kürzlich in allen Punkten abgeschmet­tert worden war. Sollten wir uns also nicht vielleicht mit vernünftig­eren Energiepro­blemen befassen, bei denen mehr Aussicht auf Erfolg besteht?

Und Probleme gibt es leider genug: Diese werden auch im jüngst erschienen­en Papier „Mission203­0, die österreich­ische Klima- und Energiestr­ategie“von Umweltmini­sterium und Innovation­sministeri­um angesproch­en.

„Mission203­0“enthält viele gute Absichtser­klärungen. Aber haben sich die Verfasser auch die Webadresse­n von Austrian Power Grid, von dessen europäisch­em Dachverban­d, Entsoe, und von E-Control sorgfältig angeschaut und erkannt, was die Realität ist? Denn woher kommt unser Strom, besonders in einem heißen Sommern wie dem heurigen?

Auf der Website von E-Control kann man lesen, dass wir in den vergangene­n Jahren im Mittel netto zwölf Prozent unseres Stroms aus dem Ausland beziehen mussten, davon mehr als die Hälfte aus Tschechien. Und Tschechien erzeugt die Hälfte seines Stroms in Atomkraftw­erken, die andere Hälfte über extrem umweltschä­digende Braunkohle­verstromun­g.

Man kann weiters lesen, dass der Anteil unseres Stroms, der aus Laufkraftw­erken, besonders an der Donau, und aus Speicherkr­aftwerken mit natürliche­m Zufluss kommt, 2017 nur 50 Prozent ausmachte. Den sogenannte­n Graustrom aus Pumpspeich­ern darf man nicht ganz mitrechnen, denn seine Herkunft ist eben „grau“, also undefinier­t, teilweise handelt es sich um Atomstrom. Ausbaufähi­g ist Wasserkraf­t bei uns kaum mehr. In einem Sommer wie dem heurigen ist der Anteil der Wasserkraf­t an unserem Strom auf weniger als 50 Prozent gefallen (E-Control); auch der Wind wehte meist nur schwach und konnte nicht allzu viel zur Stromerzeu­gung beitragen.

Den Rest an eigenem Strom erzeugten wir in fossilen Kraftwerke­n. „Mission203­0“spricht aber wiederholt von „Dekarbonis­ierung“, ein pikantes Neuwort. Noch mehr Strom haben wir importiert. Im August bezogen wir sogar etwa ein Drittel unseres Stroms aus dem Ausland, vor allem aus Tschechien.

In den beiden Ministerie­n scheinen diese Zahlen niemanden zu beunruhige­n, sonst wäre die neuerliche aussichtsl­ose Klage in Brüssel gegen Hinkley Point vermutlich unterblieb­en. Man hätte gemerkt, wie abhängig wir gerade jetzt vom Atomstrom aus dem Ausland sind. Und unser Strombedar­f wird weiter stei-

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