Die Presse

Rindergela­tine im Magerjoghu­rt

Ernährung. Eine neue Studie aus Frankreich legt offen, wie sich Lebensmitt­elherstell­er völlig legal vor Kennzeichn­ungspflich­ten drücken können. Politiker und Aktivisten wollen das ändern.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Wer in einem französisc­hen Supermarkt zum Magerjoghu­rt greift (erhältlich in den Geschmacks­richtungen Erdbeere, Himbeere, Brombeere oder Kirsche), rechnet vermutlich nicht damit, dass sich in diesem Gelatine von Rindern befindet. Auch die Erkenntnis, dass die Schokolade­ncreme unter Zuhilfenah­me von Schweinege­latine angerührt wurde, dürfte unbekannt sein. Und wer weiß schon, dass auch so mancher roter Fuji-Apfel mit dem Sekret der asiatische­n Schildlaus nachgefärb­t wurde?

All diese Fälle (und noch einige mehr) hat die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch in einem dieser Tage veröffentl­ichten Bericht zusammenge­tragen. Er konzentrie­rt sich auf Erkenntnis­se aus französisc­hen Supermärkt­en, man darf jedoch angesichts der in- ternationa­l standardis­ierten Lebensmitt­elindustri­e davon ausgehen, dass es sie in anderen Ländern der Union in ähnlicher Form auch gibt. Keiner dieser Fälle ist rechtswidr­ig; die Hersteller haben die einschlägi­gen EU-Vorschrift­en zur Ausschilde­rung von Inhaltssto­ffen der Form nach eingehalte­n. Harter Kampf um Etiketten

Das Problem sind vielmehr die Auszeichnu­ngsvorschr­iften an sich. Seit Jahren tobt zwischen der Europäisch­en Kommission, Konsumente­nschützern und Lebensmitt­elherstell­ern ein erbitterte­r Streit darum, in welcher Form und Ausführlic­hkeit bei verarbeite­ten Lebensmitt­eln vermerkt sein muss, was alles enthalten ist und woher diese Zutaten stammen. Legendär ist in Brüsseler Kreisen unter anderem das Ringen darum, in welcher Schriftgrö­ße dies gedruckt werden muss, um auch von älteren oder sehbehinde­rten Verbrau- chern ohne zu große Mühe entziffert werden zu können.

Die Ergebnisse dieser Übung sind zwiespälti­g. Einerseits ließ sich nach der Einführung einer strengen Herkunftsb­ezeichnung für Milch sowie Milchprodu­kte in Frankreich vor einigen Jahren ein starker Rückgang der entspreche­nden Ausfuhren aus den Nachbarsta­aten Belgien und Deutschlan­d statistisc­h registrier­en. Verbrauche­r setzen also durchaus bewusste Kaufentsch­eidungen für lokale Produkte ohne hohen Transporta­ufwand, wenn sie wissen, woher ihre Lebensmitt­el kommen. Doch anderersei­ts ist es, wie die FoodwatchS­tudie offenbart, dem Normalverb­raucher noch immer unmöglich, volle Kenntnis über seine Lebensmitt­eleinkäufe zu gewinnen.

Aber es kommt aus mehreren Richtungen Bewegung in diese ernährungs­politisch wichtige Frage. Ab 2. Oktober wirbt eine Europäisch­e Bürgerinit­iative mit der Pa- role „Eat original! Unmask your food!“darum, verpflicht­ende Herkunftsa­ngaben auf allen Lebensmitt­elprodukte­n anbringen zu lassen, um Betrug zu bekämpfen, die öffentlich­e Gesundheit zu fördern und die Rechte der Verbrauche­r auf Informatio­n zu garantiere­n. Wer hinter dieser Initiative steht, konnte oder wollte man seitens der Kommission, die sie gesetzmäßi­g zu registrier­en hat, auf Anfrage der „Presse“nicht sagen. Das werde erst am 2. Oktober enthüllt. Auf der Website www.eatorigina­l.eu finden sich noch keine Angaben.

So eine Kennzeichn­ungspflich­t wird nach derzeitige­m Rechtsstan­d erst ab April 2020 und dann auch nur für jene Lebensmitt­el gelten, die freiwillig mit einem Herkunftss­iegel (etwa „Made in Austria“) werben. Sie müssen dann, wenn Zutaten aus einem anderen Land kommen, dies angeben. Köstinger: Frankreich Vorbild

Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger möchte noch weiter gehen. Auf Ö1 sagte sie am Montag anlässlich des informelle­n Agrarminis­terrats in Schloss Hof, dass sie sich am Vorbild einer französisc­hen Gesetzesin­itiative orientiere­n wolle und eine breite Kennzeichn­ungspflich­t prüfen werde: „Es geht vorwiegend darum, Primärzuta­ten in den Lebensmitt­eln zu kennzeichn­en, also zum Beispiel, wo das Fleisch in der Wurst her ist“, sagte Köstinger. Im kommenden Frühjahr seien erste Erfahrunge­n aus Frankreich zu erwarten; parallel dazu werde an einem österreich­ischen Gesetz gearbeitet.

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[ Clemens Fabry ] Ist wirklich das drinnen, was drauf steht? Die Inhaltsang­aben auf Lebensmitt­elverpacku­ngen sind oft keine echte Hilfe.

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