Die Presse

Der Designer, der Glück und Schönheit erforscht

Erfolg internatio­nal. Stefan Sagmeister hat Covers für die Rolling Stones und Lou Reed gestaltet. Und sich mit Grundlegen­dem befasst, zuletzt für die Ausstellun­g „Beauty“.

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Unter Künstlern ist es seit Langem nicht wirklich en vogue, über Schönheit zu sprechen. Stefan Sagmeister, dem weltberühm­ten Designer aus Vorarlberg, ist das egal. Und er spricht nicht nur darüber, er hat sich auch systematis­ch damit befasst, hat sie studiert, im Gespräch mit Wissenscha­ftlern und im heimischen Bregenzerw­ald. Ergebnis: eine – gemeinsam mit seiner berufliche­n Partnerin Jessica Walsh gestaltete – Ausstellun­g namens „Beauty“, die am 23. Oktober im Wiener MAK eröffnet wird.

„Die Schönheit ist zutiefst ein Teil von uns“, sagt Sagmeister – und widerspric­ht vehement dem von Adolf Loos formuliert­en Dogma der Moderne, dass Ornamente unangemess­en und überflüssi­g seien, und der Doktrin des Funktional­ismus. Bei einem Vortrag in Wien zitierte er einmal Theo-´ phile Gautier: „Etwas kann nur schön sein, wenn es keine Funktion hat. Der funktional­ste Raum im Haus ist das Klo.“In diesem Sinn bemalten Sagmeister & Walsh in einer Auftragsar­beit eine New Yorker Unterführu­ng, die notorisch von männlichen Passanten als Pissoir benutzt wurde, mit einem ornamental­en „Yes“. Ergebnis: Statt Notdürftig­en kamen nun Liebespaar­e . . .

Es ist nicht das erste Mal, dass Sagmeister sich einem großen Thema widmet: 2015 lief seine „Happy Show“erst im MAK, dann auch in Zürich und Frankfurt. So verspielt der Titel klingen mochte, so ernsthaft hatte sich Sagmeister mit dem Glück beschäftig­t, mit seiner Verteilung, seinen biologisch­en Wurzeln und der Frage, wie man es erreicht. Über die Erlebnisse bei seinen Selbstexpe­rimenten – mit Meditation, Psychother­apie, Medikament­en und Liebe – erzählte dann auch sein „Happy Film“, komisch, traurig und interessan­t zugleich. Und wirkte bei allen Aufregunge­n stoisch, cool, wie Stefan Sagmeister selbst.

Berühmt wurde Sagmeister 1997 mit dem Cover für das Album „Bridges To Babylon“der Rolling Stones: Das triumphale Bild eines assyrische­n Löwen ist dabei gar nicht typisch für sein Werk. Eher schon „Set The Twilight Reeling“für Lou Reed, dessen Gesicht Sagmeister penibel mit Schrift füllte. Schrift war ihm immer wichtig, 1999 ließ er sich sogar den Einladungs­text zu einem Vortrag in Detroit in den Oberkörper ritzen.

Oft sind seine Werke auf intelligen­te Weise plakativ. So ließ er für die Initiative „True Majority“drei Sparschwei­ne sehr unterschie­dlicher Größe durch die USA fahren, die die Etats für Rüstung, Erziehung und Entwicklun­gshilfe darstellen sollten.

Über mangelnde Anerkennun­g kann sich Sagmeister nicht beklagen: Er wurde sechsmal für den Grammy nominiert und gewann ihn zweimal – für das Design der Alben „Once in a Lifetime“(Talking Heads) und „Everything That Happens Will Happen Today“(Byrne/Eno); er bekam den Lucky Strike Designer Award und das Goldene Ehrenzeich­en für Verdienste um die Republik Österreich. Ob da noch ein Preis aus der Heimat erwünscht ist? Natürlich, denn wie er einmal der „Presse“erklärte: „Das freut die Frau Mama, und was die Mama freut, das freut mich auch.“(tk)

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[ Katharina Fröschl-Roßboth ]

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