„Wahrheiten“über Xenophobie, Digitalisierung und Manipulation
Digitale Medien nützen perfekt unsere Neigungen aus. Sie vernetzen gründlich und machen uns manipulierbar.
K onrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Edward Wilson und andere hielten Xenophobie, also die Angst vor den/dem Fremden, für eine „menschliche Universalie“. Dafür wurden sie von Geistes- und Sozialwissenschaftlern heftig kritisiert. Das müssen Wissenschaftler natürlich aushalten, wenn ihre Fakten nicht mit dem humanistischen Mainstream übereinstimmen. Aber sprechen die „Fakten“tatsächlich dafür, dass die Xenophobie in den Genen liegt? Sind unsere Einstellungen nicht vielmehr von Umwelt und Sozialisierung geprägt? „Angeboren“oder erworben?
Einige Jahrzehnte und viele spektakuläre wissenschaftliche Einsichten später wurde klar: Beides trifft zu. Wie jegliches Merkmal, von der Körpergröße bis zur Neigung zu Optimismus oder Pessimismus, entwickelt sich auch die Einstellung zu Fremden zwischen dem genetischen Hintergrund und Umwelteinflüssen.
Am Beispiel der Xenophobie zeigt sich klar, dass es auch in der Wissenschaft nicht nur um Fakten, sondern vor allem um deren Interpretation geht. Ja, die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit hängen stark von den Ausgangshypothesen, also den Einstellungen der Forscher ab. Einstein soll gemeint haben: „Es ist die Theorie, die entscheidet, was man beobachten kann.“Hart formuliert, werden rassistische Gehirne rassistische Ergebnisse generieren.
So gibt es zwar in allen Kulturen Leute, die Fremden mit Skepsis begegnen. Dies wird aber bei Weitem nicht von allen ihren Mitmenschen geteilt. Daher sind erhebliche Zweifel an der Xenophobie als menschliche Universalie angebracht. Nicht die Angst vor den Fremden selber scheint in den Genen zu liegen, sondern vielmehr ein vorsichtiges Interesse an den anderen, am Unbekannten.
Ob daraus Ablehnung oder aber freundliche Zuwendung wird, hängt von den Umständen ab. Ein vergleichender Blick in Richtung anderer Tierarten bietet Einsichten in allgemeingültige Prinzipien sozialer Beziehungsgeflechte: Er zeigt, dass es von den Umständen abhängt, ob freundlich kooperiert oder aber hart konkurriert wird. Xenophobie wird gemacht, sie ist nicht einfach „angeboren“. D ie Rolle der sozialen Medien im Miteinander und Gegeneinander ist ambivalent. Einerseits verbinden die sozialen Medien weit verstreute Familien und Freunde, andererseits wurden sie zu den mächtigsten Werkzeugen von Überwachung und Manipulation. Einfach zu nutzen, billig, effizient, Gegenwehr nahezu unmöglich. So besitzen fast drei Viertel der Österreicher ein Smartphone zum Zweck, Nachrichten auszutauschen. Sie werden dabei allerdings von „Infotainment“überschwemmt, dessen Inhalte sie sich nur mehr scheinbar aktiv aussuchen; viel davon wird ihnen auf Basis „sozialer Profile“gezielt zugespielt.
Unsere individuellen Interessen, Neigungen und Aufenthaltsorte werden durch Google, Facebook und fast alle Onlinedienste, App-Anbieter, Telekom-Provider und Mobiltelefonhersteller gezielt und gründlich ausgespäht. Dabei nutzen digitale Medien in perfekter Weise die biopsychologisch fundierten Neigungen der Menschen. Sie vernetzen uns ebenso gründlich, wie sie uns manipulierbar machen.
All das wird zur Sprache kommen, beim diesjährigen Biologicum Almtal zum Thema „Dazugehören – Fremd sein“vom 4. bis 6. Oktober. Spannend, denn Wissen bedeutet bekanntlich Macht – und nicht zuletzt gegen Manipulierbarkeit.