Eine Kern-Analyse als deutliche Warnung für die Zukunft
Selten hat sich im Nachhinein etwas als so richtig herausgestellt wie ein im Nationalratswahlkampf 2017 geleaktes internes Papier über Christian Kern.
Das gläserne Prinzessinnenkinn ist zersprungen. Pamela RendiWagner, die erste Frau an der Spitze der österreichischen Sozialdemokratie, wird in nächster Zeit ziemlich intensiv damit beschäftigt sein, zunächst jede Menge Scherben nach dem chaotischen Teilrücktritt Christian Kerns wegzukehren, sodann der SPÖ ihr demokratiepolitisches Grundverständnis zurückzugeben und konstruktive Oppositionspolitik zu machen.
Christian Kern, slimfitter Mann der schönen, immer wieder leider auch hohlgeschliffenen Worte, hatte ein Händchen für präzise Fehlgriffe. Sich nach verlorener Wahl sein Gehalt beinahe verdoppeln zu lassen, damit der Absturz vom Bundeskanzlersalär zu dem eines einfachen Abgeordneten nicht zu schmerzhaft wird, gehört auch dazu.
Wer nach Peter-ich-binweg-wieder-da-Pilz, der die Vorwürfe sexueller Übergriffe nicht wirklich entkräften konnte und stattdessen für verhaltensoriginellen Listenbesetzungsk(r)ampf und Personalchaos sorgte, auf konstruktive, sachliche, lösungsorientierte Oppositionsarbeit der SPÖ hoffte, wurde Kern sei Undank eines Schlechteren belehrt. Ebenso wenig wie etwa die Ungarn oder die Amerikaner werden die Österreicher derzeit im Ausland – wie Kern gemeint hatte – wegen der türkis-blauen Regierung kollektiv für Vollpfosten gehalten, wohl aber etliche ausländische und österreichische Politiker. Eventuell will ja auch Kern diesen Ehrentitel erlangen?
Sich selbst huschdiwusch zum SPSpitzenkandidaten für die EU-Wahl zu ernennen, ohne die Parteigremien auch nur ansatzweise mit diesen Ambitionen zu behelligen, zeugt von einem Demokratieverständnis, das sich eher an Autokraten wie Victor Orban´ zu orientieren scheint. Und nein, nicht die Medien sind schuld, dass durch diese Hauruckaktion die SPÖ in ein mehrtägiges, buchstäblich kopfloses Tohuwabohu stürzte und jeder ernst zu nehmende Nachfolgekandidat und jede ernst zu nehmende Nachfolgekandidatin entgeis- tert abwinkte, ehe sich die ebenso kluge wie sympathische Pamela Rendi-Wagner doch bereit erklärte.
Dass sich die schlecht gemanagte Partei in intriganten Flügelkämpfen zerreibt, ist mehr als betrüblich: vor allem für kritische Sozialdemokraten, die es langsam satthaben, die Bocksprünge ihres nunmehrigen Exvorsitzenden solidarisch schönzureden und mitzutragen.
Selbst Altkanzler Franz Vranitzky, der seine Nachfolger bisher äußerst zurückhaltend beratschlagte, erfasste „großes Entsetzen“angesichts des Zustandes der SPÖ: „Natürlich muss man persönliche Entscheidungen respektieren, aber man muss wissen, dass solche Entscheidungen immer ursächliche Auswirkungen auf die Gesamtsituation der Partei haben.“Freilich ist Vranitzky unverdächtig, seiner Partei den Rücken zu kehren, andere aber werden sich eventuell sehr wohl eine neue politische Heimat suchen, was nicht zuletzt auf die Europawahl Auswirkungen haben wird.
Was aber macht Kern, wenn er nicht auf der Siegesstraße ins Kommissionspräsidentenamt tänzelt, sondern als normaler Abgeordneter im EU-Parlament landet? Dass ihn Erzfeind Sebastian Kurz als EU-Kommissar vorschlagen wird, ressortiert eher zum Reich der Illusion.
Selten hat sich im Nachhinein etwas als so richtig herausgestellt wie das im Zuge des Nationalratswahlkampfes 2017 geleakte interne Papier mit einer Ansammlung wenig schmeichelhafter Beschreibungen des damals noch amtierenden Kanzlers. Wie eine Prinzessin sei er, „unsicher“und „ungemein eitel“, ausgestattet mit „äußerst schwachem Nervenkostüm und Glaskinn“. Moniert wurde seine „Sprunghaftigkeit“, deretwegen „vieles unkoordiniert und mangels Plan oft auch aus reinem Zufall“passiere. Klingt wie eine Nacherzählung der vergangenen Tage. Vielleicht sollte sich auch die SPE diese Analyse zu Gemüte führen, ehe sie ihren Spitzenkandidaten kürt.