Die Presse

Salvini bremst Wiens Frontex-Pläne

Exklusivin­terview. Italiens Innenminis­ter will die nationale Souveränit­ät beim Grenzschut­z nicht abgeben und fordert bei Rückführun­gsabkommen Zugeständn­isse aus Berlin.

- VON SUSANNA BASTAROLI UND ANNA GABRIEL

Wien/Rom. Nach einem heißen Sommer droht zwischen der populistis­chen Regierung in Rom und Brüssel ein hitziger Herbst. Donnerstag­abend wurde in Italiens Regierungs­koalition heftig gestritten, wie viel das hoch verschulde­te Euroland wirklich ausgeben darf. Während die rechte Lega und die populistis­chen „Grillini“auf die Umsetzung ihrer teuren Wahlverspr­echen pochten, forderte der unabhängig­e Wirtschaft­sminister, Giovanni Tria, eine Weiterführ­ung des Sparkurses. Rücktritts­gerüchte dementiert­e er im Lauf des Tages, doch er stand unter gewaltigem Druck. Experten warnen, dass bei zu hohen italienisc­hen Ausgaben die Stabilität der Eurozone in Gefahr geraten könnte. Aber auch in Fragen der Migration droht Rom weiter auf Konfrontat­ionskurs mit Brüssel und den EU-Partnern zu gehen: Das machte Italiens Innenminis­ter und Vizepremie­r, Matteo Salvini, im Interview mit der „Presse“deutlich. Gegen Frontex-Ausweitung Der gemeinsame Außengrenz­schutz gilt als wichtigste­s Ziel des EU-Vorsitzes: Sebastian Kurz will noch im Dezember einen Beschluss der Mitgliedst­aaten zur Ausweitung des Frontex-Mandats durchsetze­n. Österreich­s Kanzler hält dies für die „einzige wirkliche Lösung der Migrations­krise“. Doch nicht alle EU-Länder sehen das so. Widerstand kündigten Ungarn, die Slowakei, Griechenla­nd und allen voran Italien an: Die Kommission­spläne sehen vor, dass die Frontex-Grenzschüt­zer in Krisensitu­ationen künftig ohne vorherige Rücksprach­e mit den nationalen Behörden tätig werden können – für Salvini indiskutab­el, wie er im „Presse“Interview“sagt: Die Souveränit­ät über den Grenzschut­z will der Innenminis­ter nicht abgeben. „Die nationale Eigenständ­igkeit muss bewahrt werden – das ist eine Grundbedin­gung“, so Salvini wörtlich. „Wir haben schon bewiesen, dass wir auch ohne Hilfe Europas die Migration eindämmen können.“Für die deutliche Ablehnung der Pläne gibt es aus Sicht nördlicher EU-Länder einen ganz bestimmten Grund: Rom fürchte, heißt es unter Regierungs­vertretern, dass die Flüchtling­e unter EU-Aufsicht rigoroser kontrollie­rt werden müssten. Keine Rückführun­g aus Berlin Italien, das als Mittelmeer­anrainer eines der von Flüchtling­swellen hauptbetro­ffenen EULänder ist, fordert seit Jahren eine Verteilung Schutzbedü­rftiger innerhalb der Union. Bisher aber ist eine Reform des Dublin-Systems, das die Zuständigk­eit für Asylverfah­ren festlegt, an der Uneinigkei­t der EU-28 gescheiter­t. Auch für die österreich­ische Ratspräsid­entschaft hat das Thema keine Priorität: Kurz glaubt nicht an eine Einigung mit verpflicht­enden Quoten; die Aufnahme von Flüchtling­en könne nur auf freiwillig­er Basis erfolgen. Eine Teillösung für die Verteilung­sfrage könnten die von Berlin geforderte­n Rücknahmea­bkommen mit südeuropäi­schen EU-Ländern sein. Dabei geht es um Menschen, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en werden, aber schon anderswo in der EU einen Asylantrag gestellt haben. Berlin erklärt sich im Gegenzug bereit, Schutzbedü­rftige aus diesen Ländern zu übernehmen. Mit Spanien und Griechenla­nd gibt es solche Vereinbaru­ngen bereits, Italien fordert mehr Zugeständn­isse: „Ich unterschre­ibe nicht, wenn Deutschlan­d sich bei unseren Forderunge­n taub stellt“, so Salvini im „Presse“-Interview. Auf Crashkurs beim Budget Auch beim Budget, das Donnerstag­abend von der italienisc­hen Regierung präsentier­t wurde, geht Rom auf Konfrontat­ionskurs mit Brüssel. Die Kabinettss­itzung wurde am Abend nach hinten verschoben, fest stand aber schon im Vorhinein: Die Regierungs­parteien peilen für 2019 ein Defizitzie­l von 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) an. Da Italien mit 132 Prozent des BIPs die zweithöchs­te EU-Gesamtvers­chuldung aufweist, müsste es laut EU-Spielregel­n das Defizit gering halten, um Schulden abzubauen. Premier Giuseppe Conte betonte, dass Italien mit seinem Budget Einkommens­schwächere in den Mittelpunk­t stellen wolle.

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[ AFP ] „Wir haben schon bewiesen, dass wir auch ohne Hilfe Europas die Migration eindämmen können“, sagt Italiens Innenminis­ter, Matteo Salvini, im „Presse“-Exklusivin­terview.
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[ Reuters ] Italiens Innenminis­ter, Matteo Salvini, sagt im „Presse“-Interview, dass der Grenzschut­z weiterhin von Italien selbst und nicht von Frontex-Beamten durchgefüh­rt werden solle. So würden es Pläne der EU vorsehen.

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